Komplette musikalische Virtuosität
– Sehr hübsch: Cedric Bixler-Zavala, bei The Mars Volta für die Lyrics und die Vokalmelodien zuständig, behauptet gegenüber der Presse, er könne sich emotional noch nicht so richtig mit dem neuen Album anfreunden. „Es ist wie ein Mädchen, in das man sich nie verlieben wird“, zitiert ihn der Rolling Stone. Das ist lustig und natürlich nicht besonders ernst zu nehmen. Von Tina Manske
Tatsache ist: Kein Fan von The Mars Volta muss bei „Noctourniquet“ auf irgendetwas verzichten, das diese Band groß gemacht hat. Wie man es von den Texanern gewohnt ist, passiert in diesen Songs ständig etwas, explodiert irgendwo ein Gitarrenriff, erfährt der eh schon komplizierte Drumrhythmus noch einen zusätzlichen Twist, weidet man sich am pathetischen Gesang von Omar Rodriguez-Lopez – „Empty Vessels Make The Loudest Sound“ gewinnt in dieser Hinsicht den Pink-Floyd-Rememberance-Award. Die erste Single „The Malkin Jewel“ täuscht den Hörer etwas, weil hier ein David-Bowie-Sound (oder sollen wir sagen Black Sabbath?) vorherrschend ist, wo man in den anderen Songs die bereits erwähnten Pink Floyd immer wieder als Hausgötter durchscheinen. Bei „In Absentia“ klingen The Mars Volta dafür zum ersten Mal wie eine Band, die auch auf den Dancefloor schielt – wie da im letzten Drittel das Pluckern eines Clubhits mitten in den Progrock fährt, das ist ganz virtuos gemacht.
Ist das tatsächlich „Future-Punk“, als der das Album beworben wird? Tatsächlich haben The Mars Volta keine Angst vor Brachialität (und Lautstärke), vom Punk allerdings unterscheidet sie, dass ihnen das hirnlose Draufhauen fremd ist. Selbst im zugekifftesten Zustand scheinen diese Jungs nichts als komplette musikalische Virtuosität draufzuhaben. Dazu ist „Noctourniquet“, wie alle Alben von The Mars Volta, geradezu beängstigend gut produziert (von Omar Rodriguez Lopez himself) und abgemischt – in diesem Fall ein Verdienst von Lars Stalfors. Über die Texte wiederum könnte man Worte verlieren – sie sind wohl inspiriert von Supermans Hauptfeind Grundy und Helden der griechischen Mythologie -, aber das würde wie immer bei The Mars Volta zu fast nichts führen. Worte sind hier eher weiteres Instrument als Text, selbst das Booklet ist so gestaltet, dass man die Lyrics kaum lesen kann. Also lieber hören, immer wieder. Und dazu das Booklet anschauen – grafisch ist das ganz großes Psychedelic-Kino, die Tabletten kann man sich sparen.
Tina Manske
The Mars Volta: Noctourniquet. Warner. Zur Homepage.