Geschrieben am 22. April 2015 von für Musikmag

The Waterboys: Modern Blues

thewaterboys_modernbluesVintage und hip

– Damit hätte man wahrlich nicht rechnen können: dass Mike Scott mit seiner Band The Waterboys noch einmal ein so grandioses Album veröffentlichen wird. Es gibt Musiker, die genießen sowas wie Artenschutz, weil sie einem früher so viel Freude bereitet haben und einen auch über die Jahre selten enttäuscht haben. Diesen Status besitzt bei mir ohne Zweifel Mike Scott, der Kopf der Waterboys.

Die Geschichte der Band im Schnelldurchlauf: Drei recht rockige Alben in den frühen 80ern auf den Spuren von U2, in den späten 80ern dann die Veränderung in Richtung Folk mit dem Klassiker „Fisherman’s Blues“. In den 90ern wurde es dann wieder rockiger, Mike Scott veröffentlichte zwei Solo-Alben in der zweiten Hälfte der 90er, weitere wenig erfolgreiche Alben und schließlich in 2010 „An Appointment With Mr. Yeats“, eine Verneigung vor dem irischen Dichter W.B. Yeats.

Ich besitze alle Alben, war auf vielen Konzerten (Highlight: Rock am Ring 1986 mit u. a. The Cure und Cock Robin) und schätze die Songwriter-Kunst von Mike Scott ungemein. Über die Jahre kommt aber auch mit Lieblingskünstlern oft Routine auf, man nimmt das neue Album wohlwollend wahr, hört es ab und an, freut sich über ein weiteres Exemplar in der Sammlung, und die Platte endet im Regal.

Mit „Modern Blues“ ist Mike Scott aber noch einmal ein Meisterwerk gelungen, welches er so seit 25 Jahren nicht mehr veröffentlicht hat. Neun Songs, die durch die Bank toll sind. Aufgenommen wurde die Platte im Sound Emporium Studio in Nashville und genauso klingt sie, sehr vintage aber trotzdem hip. Weitgehend live eingespielt mit zwei alte Nashville-Studiocracks, David Hood am Bass und Paul Brown am Keyboard. Zwar heißt das Werk „Modern Blues“, aber bis auf ein bis zwei Stücke klingt das nicht unbedingt nach Blues, eher nach der spezifischen Waterboys-Melange aus Rock, Folk und Country.

Nach dem Opening-Rocker „Destinies Entwined“ kommt mit „November Tale“ schon mein persönlicher Favorit, eine melancholische tempo-gedrosselte Nummer mit einer schönen Geschichte „Meet me at the mad parade where the midnight bells are chiming… we’ll burn the damn thing down“. Hitpotenzial haben aber auch weitere Nummern: „The Girl Who Slept For Scotland“ oder „Beautiful Now“ sind wunderbare Popsongs.

Und der Sound: Bass und Schlagzeug sind sehr angenehm reduziert in den Gesamtkontext integriert, ein anhimmelnder warmer Crunchy-Gitarren-Sound, dezente Bläser und Geige, und lange nicht mehr konnte man eine so wild aufheulende Hammondorgel hören. Es ist doch etwas anderes, wenn man Musik zu Hause mit dem Rechner aufnimmt oder eines der wenigen noch verbliebenen klassischen Studios nutzt. Hierzu schaut euch unbedingt den Film „Sound City“ an, kleine Arabesque am Rande. Outstanding, aus meiner Perspektive, sind wie immer die Stimme und die Texte von Mike Scott. Das Album schließt dann mit der Zehnminuten-Hymne „Long Strange Golden Road“. Ein Song, der auch live Gänsehäute erzeugen wird. Ich weiß, das ist keine Musik, mit der man heute die selbsternannten Hipster begeistern wird. Wer aber seine Wurzeln in den 80ern hat, auf gute handgemachte intelligente Gitarrenmusik steht und auch noch einfallsreiche Texte mag, der kommt an Mike Scott und der neuen Waterboys-Platte eigentlich nicht vorbei. „I’m gonna wrap my love around you.“

Wolfgang Buchholz

The Waterboys: Modern Blues. Harlequin and Clown (Rough Trade).

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