Das Label Trikont aus München ist mit zwei neuen Veröffentlichungen mal wieder auf der Suche nach der Versöhnung von Alt und Neu und zeigt sich dabei wieder einmal besonders hellsichtig, findet Tina Manske.
Texas Bohemia Revisited
Der Schriftsteller Thomas Meinecke ist nicht nur ein formidabler Autor, sondern offensichtlich auch – abseits seiner angesehenen Band F.S.K.- ein unermüdlich neugieriger Musiknerd. Anfang der 90er-Jahre entdeckte er auf einer Reise durch Texas die sogenannten Texas Germans – Nachfahren der Deutschen, die im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert waren und die weiterhin die Traditionen deutscher Volksmusik pflegten.
Bereits zwei CDs hat er bei Trikont über diese sympathisch verschrobenen Musiker und ihre nahen Verwandten, die Texas Bohemians, veröffentlicht – „Texas Germans“ und „Slow Music“. Nun folgt eine Wiederaufnahme mit „Texas Bohemia Revisited“, das dieses Mal sogar mit Bildmaterial in Form einer beigelegten DVD aufwartet (auf der man ganz wunderbare characters kennenlernen kann).
Dazu besuchte Meinecke Dancehalls im Dreieck zwischen San Antonio, Austin und Houston, in denen Bands aufspielten, deren Mitglieder im Durchschnitt 80 Jahre alt sind. Was in anderen Ländern als Cajun oder Cojinto zum kulturellen Erbe zählt, wird hierzulande ja leider auf sträflich falsche Art und Weise mit Dumpfbeutel-Musikantenstadtl in einen Sack gesteckt und dann draufgeschlagen – dabei haben diese Polka- und Walzer-Schlager einen ungemein einnehmenden Charme, und nicht zuletzt fußen die mexikanischen canciones zu nicht unwesentlichen Teilen auf deutschen und böhmischen Polka-Traditionen. Das kann auch bei Leuten, die mit den Walzer- und Polka-Kassetten ihrer Väter aufgewachsen sind (Anwesende eingeschlossen) zu erheblichen Sentimentalitäten führen.
Kinderzimmer Productions vs. RSO
Auch die Hip-Hop-Größen Textor und Quasi Modo von Kinderzimmer Productions versuchen sich im Zusammenschluss von Moderne und Tradition. In einer Live-Session für den österreichischen Radiosender FM4 haben sie sich 2010, drei Jahre nach ihrer Auflösung, mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien zusammengetan und einige ihrer Hits in ungewöhnlichen Fassungen neu aufgenommen. Textor brauchte es auf den Punkt: „Quasi die beste und größte Kinderzimmer-Coverband aller Zeiten. Und mit Sicherheit auch die teuerste.“
Aber der Aufwand lohnte sich: Was für ein erhebendes Gefühl, die Basslinie von zum Beispiel „Der Durchbruch“ von einem veritablen Bläsersatz gespielt zu bekommen. Jede kleine Spielerei in den Songstrukturen wird mit großer Fantasie mit ‚echten‘ Instrumenten umgesetzt. Überhaupt scheint insbesondere das Orchester jede Menge Spaß beim Ausflug in dieses ungewohnte Genre gehabt zu haben. Es zeigt sich auch in dieser Aufnahme aber vor allem, welch großartige Hip-Hop-Band uns durch die Auflösung verloren ging. Kinderzimmer Productions waren bei Sounddesign und Textideen eine Liga für sich.
Tina Manske
Various: Texas Bohemia Revisited. CD + DVD; Kinderzimmer Productions vs. RSO: Gegen den Strich. Beide Trikont (Indigo).