Geschrieben am 28. Januar 2010 von für Musikmag

Various: Django’s Spirit

Substanz und Leichtigkeit

Zum 100. Geburtstag hat Susie Reinhardt, eine weitläufig mit Django verwandte Musikerin (Hoo Doo Girl) und Journalistin aus Hamburg, 20 Titel zu Ehren des großen Sinti-Musikers zusammengestellt. Von Thomas Wörtche

Am 23. Januar wäre der franko-belgische Jazzgitarrist Django Reinhardt 100 Jahre alt geworden. Gestorben ist er zwar schon 1953, aber sein Einfluss war und ist ungeheuer. Einerseits setzte Reinhardts Musik jene seltene Mischung aus Substanz und Leichtigkeit fort, die ihn in die europäische Kunstmusik der Linie Scarlatti, Haydn, Mozart und Mendelssohn Bartholdy stellt (also die, die von den Kunstrichtern ihrer jeweiligen Zeit zunächst einmal als zu elegant, zu leicht, also als seicht empfunden wurde und die noch heute gegen „schwere“, „bedeutungsschwangere“ Konzepte einen gewissen Prestige-Nachteil hat).

Andererseits ist er die erste autochthone Stimme des europäischen Jazz, die auch international genauso verstanden wurde; spätestens seit er in den 1940er Jahren in den USA u. a. mit dem ihn verehrenden Duke Ellington zusammenarbeitete. Die berühmteste Hommage an Reinhardt stammt denn auch von dem Jazzpianisten und -komponisten John Lewis: „Django“, der Titel, der zu einer Art Erkennungsmelodie des Modern Jazz Quartetts wurde. Der Filmregisseur Sergio Corbucci hat den Namen auch auf einem anderen Feld der populären Kultur zur Ikone gemacht – nach Reinhardt nannte er den Italowestern-Heroen „Django“.

Originalität, Singularität und swingende Musizierfreude

Jetzt, zum 100. Geburtstag, hat Susie Reinhardt, eine weitläufig mit Django verwandte Musikerin (Hoo Doo Girl) und Journalistin aus Hamburg, 20 Titel zu Ehren des großen Sinti-Musikers zusammengestellt. Tracks, die glücklicherweise nicht nur von den zwar wunderbaren, aber doch eher bekannten Reinhardt-„Schülern“ der Jazzmanouche (hier vertreten durch z. B. Biréli Lagrène, Titi Winterstein und Dotschy Reinhardt, die jüngst ein schönes Buch über ihre Arbeit und ihr Leben als Sinti-Musikerin geschrieben hat) stammen, sondern akzentuiert aus Musik bestehen, die in der Tat aus dem Geist, eben dem spirit Django Reinhardts hervorgegangen ist.

Die Nonchalance, mit der etwa DJ Kormac aus der Reinhardt-Komposition „Blue Drag“ einen ganz und gar zeitgenössischen Mix macht oder mit der die großartige tschechische Truppe Gypsy.cz klassische Gypsy-Instrumentierung mit viel Programming, Electro-Beats und Rap in etwas witzig, politisch Engagiertes und auch noch sehr Ohrwurmiges namens Romano-HipHop (weil hier neben Englisch und Tschechisch auch noch auf Romanes gesungen, naja, gezungenbrecht wird ….) verwandelt, darin steckt schon viel Originalität, Singularität und swingende Musizierfreude.

Hingetupft

Japanische Hot-Club-Musik (Hot Club deswegen, weil die Musik auf der klassischen Quintett du Hot Club de France-Besetzung und deren Klang rekurriert, mit dem Django Reinhardt und der kongeniale Geiger Stéphane Grappelli einen der wirkmächtigen Sounds des mittleren 20. Jahrhunderts kreiert haben, der immer noch zündet…) ist dagegen bloß ein nettes, aber immerhin interessantes Aperçu; und ob etwas klotzige Big-Band-Arrangements, wie im Falle der Dead Brothers und ihrem „Greek Swing“ („greek“, naja, „Balkan-ist-Balkan-ist-Zigeuner“, hmmm -,) tatsächlich irgendetwas tiefergründiges mit dem subtilen, heiteren, manchmal ironischen, manchmal leicht melancholischen, aber immer virtuosen und wie hingetupft erscheinenden ätherischen Linien von Django zu tun haben…. wer weiß?!

Egal, der Sampler zeigt, wie gut eine immer noch lebendige und bezaubernden Art des Musizierens funktioniert. Und das ausgerechnet in einem Idiom, das schon von Anfang an per Definition hybrid und multi-kulturell war. Denn Django verarbeitete so ziemlich jedes Material von Musette über Flamenco, Impressionismus und Jazz und eigener Sinti-Tradition, was auch immer ihm ins Gehör kam. Und dazu war das Reinhardt-Idiom unkopierbar un-konventionell, weil Djangos linke Hand nach einem Brand verkrüppelt war und er eine Technik erfinden musste, die gleichzeitig unorthodox und virtuos sein sollte. Beides zusammen erwies sich als unschlagbar, beides strahlte einen Zauber aus, der bis heute seine Wirkung behalten hat, wie uns Susie Reinhardts spannende Kompilation konzentriert vorführt.

Und natürlich sollen alle Menschen wieder viel mehr Django Reinhardt hören, weil seine Musik Herzen und Seelen erwärmt.

Thomas Wörtche

Various: Django´s Spirit. A Tribute to Django Reinhardt. Compiled by Susie Reinhardt. Trikont (Vertrieb: Indigo).

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