Da ist was faul
Nachts sind alle Nachtigallen, die man so trapsen hört, natürlich schwarz: Eine neue Kompilation ehrt die frühen Wurzeln des Rock’n’Roll. Von Tina Manske
Rock’n’Roll, soviel lernt man mit den entsprechenden Kompilationen von Trikont, begann nicht mit Elvis und schon gar nicht mit weißer Haut. Rock’n’Roll ist vielmehr genuin schwarz. Aus Blues, Jazz und Gospel entstand in den schwarzen Ghettos Mitte des 20. Jahrhunderts ein Sound, wie man ihn bis dahin nicht gehört hatte – roh, sexy, mit Texten, die oftmals die (körperliche) zwischenmenschliche Liebe anstelle Gottes stellten.
Dabei waren die Künstler Vorreiter eines Sounds, den später weiße Kollegen aufgriffen und popularisierten. Drei Jahre etwa bevor Elvis den „Hound Dog“ zum Hit machte, jaulten sich Little Esther Philipps oder Big Mama Thornton sehr viel virtuoser die Seele aus dem Leib. Und noch bevor Peggy Lee mit „Fever“ erfolgreich war, sang die junge Sandra Meade den Song von Willie John – übrigens die meistgecoverte R’n’B-Nummer aller Zeiten.
Unhappy endings
All das kann man auf dieser Kompilation nachhören. Nach „Roll Your Moneymaker“ aus dem letzten Jahr, ebenfalls von Jonathan Fischer kompiliert, ist dies die zweite Folge einer Anthologie schwarzen Rock’n’Rolls. Eines wird beim Hören dieser Platte schnell klar: Wenn einer sagt: „Nobody loves you like I do“, dann müssen eigentlich alle Alarmglocken läuten – es drohen Eifersuchtsszenen, Stalking, vielleicht sogar Mord und Totschlag. Denn oft fallen in den 26 Songs solche oder ähnliche Beschwörungen, und fast immer münden sie in ein unhappy end. Nicht umsonst ist diese Kompilation „I Smell A Rat“ betitelt, was in etwa soviel bedeutet wie: Ich merk doch, dass hier was faul ist. Etwa wenn das girlfriend mit dem Zug abgehauen ist und man(n) wie Tarheel Slim jedes Mal zu heulen anfängt, wenn man den „Number Nine Train“ gehen hört. Oder wenn Billy The Kid Emerson in „Every Woman I Know“ begreift, dass er ohne fahrbaren Untersatz niemals eine Frau abbekommen wird.
Der tiefe Fall lauert jedenfalls überall. Oder was soll man von Little Willie Johns Liebeserklärung „All Around The World“ halten, in der er beteuert: „If I don’t love you baby, grits ain’t groceries, eggs ain’t poultries, and Mona Lisa was a man“? Nicht gerade unzweideutig, das Ganze, insbesondere vor dem Hintergrund der neuesten Leonardo-da-Vinci-Forschung …
Tina Manske
Various: I Smell A Rat. Early Black Rock’n’Roll # 2, 1949-1959. Trikont (Vertrieb: Indigo).