Fuzz-Gitarren und der nicht enden wollende Beat: Tobi Kirsch hat eine luxuriöse Zusammenstellung nigerianischen Afro-Rocks gehört.
Ende? Anfang!
– Das Label Soundway hat sich seit einiger Zeit einen ausgezeichneten Ruf in der Riege der “Digger”-Labels erarbeitet. Kontinuierlich erscheinen gut recherchierte Sammlungen mit Musik aus Gegenden, die in Europa und Nordamerika nicht sonderlich viel Beachtung erfahren. So auch diese Compilation mit dreiunddreißig Stücken, die aus Nigeria Anfang der 70er-Jahre stammen, als sich nach dem Ende des Bürgerkriegs im Land interessante Bands gründeten. Diese mitunter recht kurzlebigen Formationen nahmen die lokalen Einflüsse des Highlife ebenso auf wie den Rock’n’Roll, der als Kulturimport aus Großbritannien während der 60er-Jahre eine große Rolle im Land gespielt hat. Mit dem Aufkommen von Funkmusik und James Brown als Speerspitze tauchten auch erste Musiker auf, die diesen Sound reinterpretierten. Der James Brown-Imitator Geraldo Pinto aus Sierra Leone spielte in diesem Zusammenhang eine große Rolle, wie man im schick gestalteten Booklet nachlesen kann. Aus den Vorläufern Highlife, Rock und Funk kreierten die lokalen Bands einen Sound, der sich durch rauhe Orgelsounds, perkussives Treiben und dreckige Gitarren nur unzureichend beschreiben lässt. Alle Songs versprühen eine ungeheure Vitalität und kombinieren auf spannende Art und Weise “westliche” Musikstile mit dem lokalen Hintergrund. Dazu gehört auch ein Beatgerüst durch alle Formen perkussiver Instrumente, das einen ungewohnten Hörer mitunter in einen musikalischen Rausch versetzen kann, weil sich das abwechslungsreiche Getrommel scheinbar bis ins Unendliche hinaus wie magisch zu verlängern scheint.
Bei allen psychedelischen Ingredienzen durch verzerrte Gitarren groovt es hier gewaltig aus den Boxen. Die Stücke mit Gesang bleiben dem Rezensenten naturgemäß verschlossen, doch auch hier hilft das Booklet durch kurze prägnante Texte zu jedem Stück weiter. “The World Ends” ist eine mitreißende Sammlung nigerianischer Musik Anfang der 70er mit über zwei Stunden Spielzeit, die sich bei näherer Beschäftigung mehr als nur lohnen. Wie heißt es so schön in der Einführung: “Wo eine Welt aufhört, beginnt eine neue.” Das gilt auch für das offene Ohr eines eifrigen Musikhörers.
Tobi Kirsch
Various: The World Ends: Afro-Rock & Psychedelia in 1970s Nigeria. Soundway (Indigo).