Viel Spaß!
– “We Can Do Anything” ist erstmal eine fröhliche, anarchisch-vogelfreie Ansage, ganz nach dem Motto, “uns kann keiner“ – und im gleichnamigen Rumpelpolka-Song geht’s genau darum: „I could do this / I could do that / I could pull an elephant out of my hat“, grölen Gordon Gano, Brian Ritchie und Brian Viglione vergnügt im Chor, aufrührerisch und mitreißend ist das, und man macht sofort gerne mit.
Klar wird aber auch: Die Violent Femmes zaubern anno 2016 keine Elefanten aus dem Hut. Genau genommen machen sie das seit Jahrzehnten schon nicht mehr; das Folkpunk-Trio aus Milwaukee, Tennessee „steckt seit 33 Jahren in der Debütalbumfalle“, wie es ein britisches Magazin unlängst auf den Punkt brachte. Die epochalen ersten beiden Alben, „Violent Femmes“ und „Hallowed Ground“ (VÖ 1983 & 1984) beeinflussten unzählige Epigonenbands und mischen noch heute jede Studiparty auf – der ungestüme, raue, hysterisch-gefährliche Trademark-Sound der jungen Femmes sucht noch immer seinesgleichen. Dieser Umstand bringt jede Menge einerseits- und andererseits-Argumente auf den Plan: Einerseits erwartet man von Pop ständige Erneuerung, andererseits liebt man die Violent Femmes für ihren zeitlosen Indie-Entwurf und ist insgeheim froh darüber, dass sie niemals wirklich Experimente machten (mal abgesehen von Ganos Gospelausflügen mit The Mercy Seat).
Dass mit „We Can Do Anything“ das erste Album der Band seit fünfzehn Jahren erscheint, zeigt aber auch, dass Gano und Kollegen lange, sehr lange keine Veranlassung für eine Neuauflage ihres juvenilen Wut- und Genieausbruches hatten. Sicher, die Neunziger-Phase mit Alben wie „Why Do Birds Sing?“ war sehr okay und verfestigte den Status der Band als US-amerikanische Ikonen à la Bob Dylan (ja!). Und auch die Konzerte Anfang der 2000er-Jahre ließen nichts zu wünschen übrig.
Doch auch damals schon spielten die Violent Femmes hauptsächlich die Songs ihrer ersten Alben, Zugabe „Kiss Off“, was sonst? Vielleicht ist es einfach schwierig, mit Mastermind Gordon Gano zusammenzuarbeiten: Die früheren Schlagzeuger Victor De Lorenzo und Guy Hoffman sind längst nicht mehr dabei; Dresden-Dolls-Drummer Brian Viglione ist zwar auf dem aktuellen Album zu hören, hat die Band aber inzwischen wieder verlassen. Gano selbst sagt, dass es keinen Unterschied zwischen den jungen und den alten Violent Femmes gäbe. Was sie heute tun, sei eine „natürliche Fortsetzung“ dessen, was in den frühen Achtzigern begann. Wahrscheinlich muss man das so hinnehmen, schließlich machen auch z. B. Bad Religion nichts anderes als früher und ziehen weiter durch die Lande, als hätten sie die letzten dreißig Jahre in einem Paralleluniversum verbracht.
Wenn man all die garstigen Überlegungen ausblendet, kann man mit „We Can Do Anything“ durchaus eine Menge Spaß haben: Die Texte von „Memory“ oder „Issues“ sind herrlich gemein, auch in den übrigen Stücken schwelgt Gano mit quengeliger Nörgelstimme in seinen bewährten Fetischthemen: In „Foothills“ geht’s um Masturbation, „Big Car“ ist eine abstoßend böse Story (älterer Mann, junges Mädchen, schlimmes Ende), „Traveling Solves Everything“ huldigt den Vorzügen des Unterwegsseins – verpackt in unkaputtbaren, ruppigen, räudigen Blues-Folk-Punk’n’Roll, der fast so klingt wie damals, 1983.
Christina Mohr
Violent Femmes: We Can Do Anything. Pias (Rough Trade). Zur Homepage.