Die IRA ist schuld
Hoffentlich wird aus Adrian McKinty kein Hype. Der Autor ist zu gut, als dass man ihn sofort allzu schreiend hochjubelt. Denn ein paar Macken hat der erste Band um Michael Forsythe, dem Iren in New York, durchaus. Aber Joachim Feldmann ist gerecht …
Eigentlich ist die IRA schuld. Hätten die republikanischen Terroristen nicht wieder einmal eine Bombe vor dem Belfaster Europa-Hotel gezündet, deren Detonation sämtliches Fensterglas in der näheren Umgebung zerstörte, wäre dem neunzehnjährigen Herumtreiber Michael Forsythe nicht angeboten worden, für ein paar Pfund beim Transport der Ersatzscheiben mitzuhelfen, sein Foto wäre nicht in der Zeitung erschienen und die missgünstige Nachbarin hätte ihn nicht beim Sozialamt denunziert, das ihm prompt die Unterstützung für ein Jahr strich. Was macht ein mittelloser, aber tatkräftiger Nordire Anfang der neunziger Jahre in einer solchen Situation? Er geht in die USA, wo hilfreiche Verwandte bereits für Arbeit und Quartier gesorgt haben.
Rache as usual …
In Michaels Fall ist es Kusine Leslie, die dem jungen Mann einen Job bei ihrem Schwager in New York besorgt. Nun ist Darkey White aber kein gewöhnlicher Arbeitgeber, sondern ein kleiner Gangsterboss, der immer ein paar zuverlässige Fäuste gebrauchen kann. Michaels Karriere als bezahlter Schläger läuft zufriedenstellend an, doch als er sich mit Darkeys Freundin Bridget einlässt, findet dieser schnell einen Weg, sich des unliebsamen Konkurrenten zu entledigen.
Und plötzlich sitzt der Junge aus Belfast in einem hochgesicherten Gefängnis in Mexiko. Was ihn dorthin verschlagen hat und vor allem, wie er diesem ungastlichen Ort wieder entkommt, lässt man sich am besten von Michael Forsythe, dem Helden der Dead-Trilogie des aus Nordirland stammenden Autors Adrian McKinty, selbst berichten. Denn dieser Knabe verfügt nicht nur über ungeahnte Fähigkeiten, sich aus scheinbar aussichtslosen Situationen zu befreien, sondern ist auch ein begnadeter Erzähler mit einer überraschenden literarischen Bildung. So verwandelt sich ein Allerweltsplot – der Held wird gelinkt, kann aber der Falle entkommen und begibt sich auf einen Rachefeldzug – in einen ungewöhnlichen Entwicklungsroman, an dessen Ende aus dem naiven Neuankömmling ein skrupelloser Killer geworden sein wird.
Crack & Macht
Der sichere Tod ist der erste, nun in einer flüssigen deutschen Übersetzung vorliegende Band der Trilogie, mit dem Adrian McKinty nicht nur eine bemerkenswerte Gangstergeschichte, sondern auch ein bitter-ironisches Sittenbild vom unteren Rand der New Yorker Gesellschaft gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts gelungen ist.
Da trifft man Figuren wie den Dominikaner Ramón, der ohne auch nur den Anflug eines schlechten Gewissens, Crack an die Ärmsten der Armen verkaufen lässt und davon träumt, den Profit in legale Unternehmungen zu investieren. „Ich werde Vermieter sein. Vielleicht stelle ich mich als Abgeordneter zur Wahl. Ich möchte etwas tun für die Community hier“, erklärt er dem entgeisterten Michael, dessen Rachegelüste ihm gut beim Ausbau seiner Marktposition zupass kommen.
So sieht sie aus, die Welt, in der es für einen Michael Forsythe immer etwas zu tun geben wird. Und anders als dieser wirkt sie beängstigend realistisch.
Joachim Feldmann
Adrian McKinty: Der sichere Tod. (Dead I Well May Be, 2003). Roman.
Aus dem Amerikanischen von Kirsten Rieselmann.
Berlin: Suhrkamp 2010. 464 Seiten. 9,95 Euro.
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