Geschrieben am 18. Januar 2012 von für Bücher, Litmag

Andreas Buro: Gewaltlos gegen Krieg

Ein friedlicher Mensch

– Carl Wilhelm Macke über die Lebenserinnerungen des Pazifisten Andreas Buro, dem die demokratische, gewaltfreie politische Kultur der Deutschen in den letzten Jahrzehnten viel zu verdanken hat.

Man möchte den kleinen, dem Zeitgeist wacker trotzenden Verlag Brandes & Apsel ja eigentlich nur loben für dieses Buch. Welcher andere Verlag interessiert sich denn heute noch für die Lebensgeschichte eines Mannes, der seit Jahrzehnten argumentativ und gewaltlos für eine bessere, von Kriegen freie Welt eintritt? Der 1928 in Berlin geboren wurde, einer gutbürgerlichen Familie entstammt, der eine abgesicherte Karriere als promovierter Holzwissenschaftler hätte einschlagen können und dann vom vorgezeichneten ruhigen bürgerlichen Weg „abkommt“, weil ihn die Wiederaufrüstung Deutschlands nach dem entsetzlichen, von den Nazis zu verantwortenden Weltkrieg nicht in Ruhe lässt. Der sich zuerst zögerlich, aber schließlich immer mehr in der Friedensbewegung engagiert. Der sich in den aufregenden 6oer-Jahren an den Protesten gegen den Vietnamkrieg und den Militarismus beteiligt. Der sich allen Versuchen widersetzt, seine große Organisationsfähigkeit irgendwelchen Parteistrategen unterzuordnen. Der sich als Sozialist versteht, aber immer auf Distanz bleibt zu den Missionaren im Dienste des realen Sozialismus. Der nicht bereit ist, sich ins bequeme Privatleben zurückzuziehen als die großen – manchmal auch unrealistischen – Träume einer ebenso demokratischen wie sozialen Gesellschaft immer mehr von der Kälte des Kapitalismus eingefroren werden. Der mit einer bewundernswerten Geduld andere Menschen davon zu überzeugen sucht, dass Gewalt kein Mittel zur Beilegung kleiner lokaler Krisen oder großer Konflikte auf Weltebene sein kann. Der sich als Intellektueller auch nicht scheut, ganz praktisch bei der Durchführung von Friedensdemos zu helfen.

Andreas Buro gehört zu den Menschen, die sehr viel ihrer Lebenszeit und ihrer Lebenskraft einer Idee geopfert haben, von der heute so viele zynisch und satt sagen, dass sie eine Utopie sei, ein kindlicher Traum, von dem man endlich Abschied nehmen soll. Heute würden nur noch Waffen, Kriegspläne, Gewaltandrohungen, Polizei- und Militäreinsätze zählen. Gegen diese Resignation vor dem Faktischen und der Welt wie sie nun mal ist – und aus der Sicht der Zyniker auch bleiben soll – hat Andreas Buro ein Leben lang gekämpft. Hartnäckig, still und mit klugen Argumenten. Seine Lebenserinnerungen geben davon ein Zeugnis ab und deshalb ist es wichtig und bereichernd, sie zu lesen.

Viel zu viel Privatsphäre

Warum aber, und hier muss man den Verlag kritisieren, hat das Lektorat es nicht gewagt (oder gewollt), den Text von allzu vielen privaten Details und Verwandtschaftsplaudereien freizuhalten? Natürlich kann schon per definitionem eine Autobiografie nicht frei sein von Geschichten aus dem ganz privaten Umfeld des Schreibers. Auch für den Leser ist es nicht uninteressant zu erfahren, wer die Freunde des Autors waren oder sind, welche Rolle die Familie in seinem Alltag spielt, welche privaten Reisen er unternommen hat, um sein Weltbild zu erweitern. Aber in diesem Buch werden diese Lebensdetails in einem Maße ausgebreitet, dass man oft mehrere Seiten ungelesen überspringt, weil es einen als Außenstehenden einfach nicht interessiert, wie viel Nougat-Aufstrich den Kindern zugestanden wird, was die Oma auf der Terrasse mit den Kindern anstellt und wie die Tische bei einem Gartenfest angeordnet sind. Das mag für eine im kleinen Freundesrahmen vorgetragene Familienchronik ganz lustig sein, aber es erleichtert nicht gerade die Lektüre eines Buches, dem man ja gerade viele Leser wünscht, die sich aber bei einer derart ausgebreiteten Privatsphäre nur langweilen würden.

Trotzdem: Es überwiegen die Gründe, diese Lebenserinnerungen eines „streitbaren deutschen Pazifisten“ all denjenigen zu empfehlen, die mehr wissen wollen von einem Menschen, dem die demokratische, gewaltfreie politische Kultur der Deutschen in den letzten Jahrzehnten viel zu verdanken hat. Mag sein, dass sich viele Träume des Autors von einer gerechteren und gewaltloseren Gesellschaft vielleicht nie realisieren lassen, aber auch als Schiffbrüchiger klammert sich Andreas Buro inmitten des Ozeans hartnäckig an die Überreste untergegangener Utopien auf seiner Reise Richtung Ithaka. Eine Reise, die andere längst aufgegeben haben.

Carl Wilhelm Macke

Andreas Buro: Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel Verlag 2011. 325 Seiten.

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