Geschrieben am 18. Januar 2010 von für Bücher, Litmag

Andreas Unterweger: Wie im Siebenten

Die Ballade von Andreas und Judith

John und Yoko, Bob und Sara, Dante und Beatrice, Andreas und Judith – in seinem verspielten Debütroman Wie im Siebenten lässt der 1978 in Graz geborene Andreas Unterweger seinen Ich-Erzähler Andreas Analogien zwischen berühmten Paaren der Kulturgeschichte und seiner eigenen Beziehung ziehen. Frank Schorneck ließ sich von dem Charme des Buches becircen.

In kurzen Episoden umkreist Andreas seine Liebesgeschichte, kehrt zurück in die Zeit, als Judith und er noch „im Siebenten“ wohnten. Dass hier der siebente Bezirk Wiens gleichsam für den sprichwörtlichen siebenten Himmel steht, ist einer der wenigen offensichtlichen Fingerzeige, die Unterweger in seinem postmodern verspielten und sprachlich eleganten Debüt gibt.

Unterwegers Thema ist nicht nur die Unwägbarkeit der Liebe, sondern auch die Schwierigkeit, einen ersten Roman zu schreiben. In einem filigranen Prosagewebe vermischt er scheinbar Autobiographisches mit offensichtlicher Fiktion, spielt alternative Möglichkeiten einer Liebesgeschichte durch, die den Leser stets auf neue, falsche Fährten locken. Die Möglichkeit eines Scheiterns der Liebe ist von Beginn an präsent, wenn Andreas von „schwierigen Zeiten“ schreibt oder aber die Schilderung eines Glücksempfindens mit dem Einschub „- zumindest am Anfang“ relativiert. Da ist der Verdacht eines Betruges nach einer Reise, die Judith allein unternommen hat, da sind Gegenstände, die aus einer früheren Beziehung stammen, da stehen Missverständnisse zwischen den Liebenden, gemeinsame Geschichten verändern im Laufe der Jahre ihren Klang.

Unterwegers Prosa ist schnörkellos und dennoch von feiner Rhythmik und Musikalität. Er lässt Andreas nicht chronologisch oder auch nur ansatzweise strukturiert erzählen, die Zeitebenen und Erinnerungsfetzen springen wild durcheinander. Hochgefühl und Absturz liegen in Wie im Siebenten so nah beieinander wie im richtigen Leben: „…vor einer halben Stunde erst hatten wir, Judith und Andreas, von dem Kind erfahren. Und nun waren wir unterwegs durch diesen gelben Frühlingsabend. Mit Schwalben in der Luft und, hinterm Schallschutzwall der Autobahn, Windrädern auf dem Hügel. Noch wussten wir es nicht. Noch sprachen wir, Judith und ich, Andreas, von dem Kind. Es wird ein Mädchen sein. (…) Noch lachte ich. Noch wusste ich ja noch nicht einmal, was Curettage bedeutet. Woher denn auch. An diese gelben Frühlingsabend…“

Auch wenn du mich nie getroffen hast, tut`s weh

Andreas versucht schließlich, Ordnungsmaßstäbe an die Liebesgeschichte anzusetzen, widmet sich pseudowissenschaftlich samt Fußnoten und Literaturnachweisen dem musikalischen und literarischen Schaffen von Dylan, Lennon und Aligheri sowie den Einschnitten, die die jeweiligen Frauen für deren künstlerische Entwicklung bedeutet haben (Dylans Elektrifizierung, das Ende der Beatles, Dantes erstes Buch „Vita Nova“).

Unterweger treibt sein geniales Spiel auf die Spitze, indem er das Ende als vorgebliches Fragment ausgibt, mit Notizen, „Szenen aus den Dreharbeiten zu dem nie gedrehten Film, zu dem mein erstes Buch das Buch ist“, Anmerkungen zu Unkorrektheiten oder Ungereimtheiten im Vorangegangenen und Anmerkungen von Judith, die als fiktive Herausgeberin firmiert. Wo sich zunächst scheinbar ein Kreis schließt, dreht sich die Spirale auf eine weitere Ebene.

Es erinnert einiges in Unterwegers Erstling an Raymond Federmans Playgiarism. Und eine augenzwinkernd-verschmitzte Reminiszenz an Sternes Tristram Shandy mag man auf den Seiten 44/45 finden. Wie im Siebenten ist eine intelligente und charmante Verbeugung vor der Liebe und dem Schreiben, in gleichem Maße humorvoll wie tragisch: „Natürlich hat Judith in Wirklichkeit nie, niemals, mit der Kaffeekanne nach mir geworfen. – Aber es hat trotzdem sehr wehgetan, und die Narbe kann man heute noch ganz deutlich sehen.“

Frank Schorneck

Andreas Unterweger: Wie im Siebenten.
Droschl 2009. 144 Seiten. 18,00 Euro.

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