Geschrieben am 13. Dezember 2014 von für Bücher, Crimemag

Anthony Horowitz: Der Fall Moriarty

Horowitz_Der Fall MoriartySherlock nervt

– Anthony Horowitz schreibt Conan Doyle weiter. Zwei neue Texte, „Der Fall Moriarty“ und „Die drei Königinnen“, die unser Rezensent durchaus „hinterhältig“ findet – und das ist ein Kompliment von Joachim Feldmann.

Dass der große Sherlock Holmes seiner Umgebung zeitweise schwer auf die Nerven gegangen sein muss, erschließt sich schon aus der Lektüre einer einzigen der vielen Geschichten, die sein Adlatus und treuer Freund Dr. Watson für die Nachwelt aufgeschrieben hat. Penetrante Besserwisser sind halt nicht leicht zu ertragen. So reagiert Mrs Hudson, die gute Hauswirtin des Meisterdetektivs zu Recht wenig amüsiert, als Holmes ihr erklärt, dass sie ein paar Minuten vom Fenster aus einem Straßenmusikanten zugesehen hat, anstatt den Tee zu servieren. Und anders als Watson ist sie auch nicht daran interessiert, den Hintergrund dieses deduktiven Kabinettstückchens zu erfahren. Ein Sträußchen Petersilie ist des Rätsels Lösung, wie man in der Kurzgeschichte „Die drei Königinnen“ nachlesen kann. Diese stammt allerdings nicht von Sir Arthur Conan Doyle persönlich, sondern wurde von dem vielseitig begabten Anthony Horowitz verfasst, dessen erster autorisierter Holmes-Roman „Das Geheimnis des weißen Bandes“ (The House of Silk, 2011) vor drei Jahren auch an dieser Stelle gewürdigt wurde.

In „Die drei Königinnen“ hat der bereits in „Das Zeichen der Vier“ als bemerkenswert tumbes Beispiel seiner Profession dargestellte Scotland-Yard-Detektiv Athelney Jones einen Auftritt. Wie nicht anders zu erwarten, demonstriert ihm der große Holmes erneut seine intellektuelle Überlegenheit. Derartig gedemütigt, lässt sich der bedauernswerte Kriminalist aus gesundheitlichen Gründen beurlauben, und Watson beschließt, in diesem Fall ausnahmsweise auf eine Veröffentlichung zu verzichten.

Horowitz_Die drei KöniginnenPoetische Gerechtigkeit

Da kommt es durchaus überraschend, dass Athelney Jones in Horowitz’ neuem Detektivroman „Der Fall Moriarty“ eine Hauptrolle spielen darf, während Holmes selbst durch Abwesenheit glänzt. Der fatale Zweikampf bei den Reichenbachfällen ist erst wenige Tage her. Bis Conan Doyle seinem totgeglaubten Helden auf zahlreichen Wunsch weitere Abenteuer gönnt, soll es noch einige Zeit dauern. Aber ausgerechnet mit Jones scheint Horowitz einen wackeren Ersatzmann aufs Feld entsandt zu haben. Inzwischen hat dieser nämlich die Methoden des großen Detektivs genauestens studiert, so dass er seine Umgebung immer wieder mit Beispielen seiner neu erworbenen Kombinationsfähigkeit verblüffen darf. Selbst der hartgesottene Ermittler Frederic Chase, der als Pinkerton-Agent nach Europa gereist ist, um den amerikanischen Super-Gangster Clarence Devereux dingfest zu machen und sich zu diesem Zweck mit Jones zusammentut, ist schwer beeindruckt von seinem Kompagnon. Zumindest hat es den Anschein. Chase übernimmt nämlich in diesem Fall auch die Rolle Dr. Watsons als Erzähler und verhält sich dementsprechend.

Doch was so aussieht, als sollte einer Nebenfigur des Baker-Street-Universums, der bislang eher übel mitgespielt wurde, nun endlich poetische Gerechtigkeit widerfahren, entpuppt sich als grausames Täuschungsmanöver, dessen Aufdeckung einem naiven Leser wie Ihrem Rezensenten schlicht die Sprache verschlagen hat. Deshalb an dieser Stelle kein weiteres Wort zu diesem hinterlistigen Romanwerk. Lesen Sie einfach selbst.

Joachim Feldmann

Anthony Horowitz: Der Fall Moriarty. Roman (Moriarty, 2014). Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff. 342 Seiten. Berlin: Insel Verlag 2014. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autor.
Anthony Horowitz: Die drei Königinnen. Ein neuer Fall für Sherlock Holmes (The Three Monarchs. 2014). Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff. E-Book. Berlin. Insel 2014. Download.

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