Auf Odyssee im Bergischen
Nachdem es lange, zumindest in Buchform, still war um den famosen Humoristen Axel Marquardt, dessen absurde Geschichten und Gedichte in den achtziger Jahren eine Heimat im Haffmans Verlag hatten, meldete er sich im vergangenen Jahr mit einem wundervoll leichten Sommerroman wieder auf der literarischen Bühne zurück.
Anselm im Glück bot – ausgehend von einer düsteren Hafenspelunke in Hamburg – ein furioses Roadmovie voller Finten und Hakenschläge über Norditalien und Monte Carlo nach Sylt. Berthold Rosebrock, der titelgebende Held in Marquardts zweitem Roman, treibt sich in einem ungleich kleineren Radius herum, seine Erlebnisse sind allerdings kaum minder abenteuerlich.
Dem Kölner Banker dämmert am Tag vor seinem dreiundvierzigsten Geburtstag, dass er eine ausgesprochene Pfeife ist. Anlass für Rosebrocks Krise ist weniger sein Alter als vielmehr der Umstand, dass seine Frau sich beide Hände verbrüht hat. Die Unfähigkeit, sich den Windsorknoten selbst zu binden, steht am Beginn einer entmutigenden Bestandsaufnahme: Haushaltsgeräte sind ihm so fremd wie das selbständige Einkaufen.
Hakenschlagende Geschichte
In die trüben Gedanken hinein platzt die Einladung zu einem Klassentreffen in Gummersbach. In einer für ihn ungewöhnlichen Spontaneität sagt Rosebrock zu und begibt sich wenige Tage später auf eine Autofahrt, die ihn in ein Spielcasino und in fremde Betten führen wird, die ihn zum kurzfristigen Hundebesitzer und serbokroatischen Honorarkonsul in Bergisch Gladbach macht, die ihn seiner Frau näher bringt und gleichzeitig die Trennung herbeiführt.
Die irrwitzigen Wendungen, die die Geschichte nimmt, kann sich nur vorstellen, wer Anselm im Glück gelesen hat. Marquardts überbordende Phantasie ist schlicht ohnegleichen in der aktuellen Literaturszene. Mit leichter Feder treibt er die Handlung voran, bereitet in dem Moment, in dem Rosebrock und der Leser gleichermaßen glauben, Luft holen zu können, schon den nächsten Hakenschlag vor.
Liebe zu Lyrik und Alkohol
Rosebrock bildet den Gegenpol zu Anselm im Glück: während Anselm als armer Schlucker stets versucht, an Geld zu kommen (was ihm auch ebenso regelmäßig gelingt, wie es ihm dann wieder durch die Hände rutscht), hat Rosebrock als geschäftsführender Gesellschafter einer Privatbank anfangs keine Geldsorgen – und findet das Glück schließlich in einer ganz anderen Welt als der vertrauten. Beide verbindet ihre ziellose Getriebenheit, vor allem aber die Liebe zur Lyrik, die bei Anselm durch die Bekanntschaft mit einem trinkfreudigen Dichter geweckt wird, bei Rosebrock durch einen zwielichtigen – nicht weniger trinkfreudigen – Hobbypsychologen. Im Alkohol beziehungsweise in dessen ungezügeltem Genuss lässt sich übrigens eine weitere Parallele ziehen – trunken macht aber allein schon die Lektüre von Marquardts Fabulierkunst.
Frank Schorneck
Textauszug:
Rosebrock stieg also auf Barolo um und sprach weiter mit Yoko und verliebte sich ein wenig in sie und bildete sich zunehmend ein, dass sie auch ein wenig verliebt in ihn sei, doch bevor er seinen immer stärker werdenden Vorsatz, sich ihr zu offenbaren, wie es ihm sein Dunsthirn soufflierte, in die Tat umsetzte, warnte ihn dasselbe oder das Gleiche vor den möglichen peinlichen Folgen („Sie könnten ja mein Vater sein!“) und gestattete ihm nur eine abschließende Frage: „Bitte, wo gibt es hier einen schönen Platz, wo ich meinen Hund begraben kann?“
Axel Marquardt: Rosebrock. Kunstmann 2004. Gebunden. 320 Seiten. 17,90 Euro. ISBN: 3-88897-358-9