Geschrieben am 18. September 2013 von für Bücher, Litmag

Barbara Ireland (Hrsg.): 36 Hours. 125 Wochenenden in Europa

Barbara Ireland_36 Stunden36 Stunden, 125 Wochenend-Trips, 644 Seiten

– Ein Starker Reiseführer auch für weniger bekannte europäische Locations. Von Peter Münder.

Ein Wochenende in Barcelona, eine Woche Schottland, eine fünftägige Radtour an der Donau – keine Frage: Touristische Kurztrips sind schon seit Jahren beliebt und der Trend hält weiter an. Die „New York Times“ hat mit ihren Reise-Tipps für „Thirty Six Hours“ einen so enormen Erfolg, dass man die Empfehlungen für Weekend-Trips seit 2006 auf Europa ausdehnte und die 2011 in Buchform veröffentlichten Kolumnen über Kanada und die USA nun sogar in einer deutschen Ausgabe über europäische Reiseziele veröffentlicht. Dieser Band für 125 Wochenenden in Europa ist so liebevoll mit einem roten Baumwollstoff-Einband gestaltet und mit Karten und gelungenen Photos illustriert, dass er einen Preis als schönstes Buch des Jahres verdient hätte – obwohl er als Schwergewicht kaum im leichten Reisegepäck unterzubringen ist.

Bestechend ist schon die Einteilung: Metropolen wie Rom, Paris, London, Dublin und Berlin werden in mehreren separaten Kapiteln beschrieben: Es gibt etwa einen allgemeinen Überblick über Rom, dann ein ausführliches Kapitel über das antike Rom und ein weiteres über das moderne Rom. London wird gleich in vier Kapiteln gewürdigt: Als Literatur-Hauptstadt, attraktiver Ausflugsort für Kinder, mit seinem faszinierenden Osten und in einem umfassenden Überblick.

Paris erhält separate Abschnitte zu Parks und Gärten sowie über das Nachtleben, Dublin wird auch ausführlich als Literarische Metropole gewürdigt, zu Berlin gibt es ein extra Kapitel über den ehemaligen Ost-Teil. Gelungen ist auch die Auswahl der Reiseziele: Die üblichen Mainstream-Locations wie Amsterdam, Madrid oder Brüssel finden sich hier neben eher ausgefallenen Zielen wie etwa Lwiw/ Ukraine, Perm/Russland, Tiflis/Georgien oder Turku/Finnland. Da Europa sich in den letzten Jahren immer weiter geöffnet hat und baltische Staaten wie Estland, Lettland und Litauen längst von Millionen ausländischer Touristen besucht werden, finden sich zu Tallin, Vilnius und Riga auch ausführliche Tipps.

Barbara Irelans_36 Stunden_Teaser

Die Hinweise konzentrieren sich nicht nur auf Restaurants, Bars und Shopping-Tipps, sondern auch auf Museen, Spaziergänge und Exkursionen. In kroatischen Badeorten werden die Strände gewürdigt, in Warschau sollte man das Museum des Warschauer Aufstandes besichtigen, in Palermo kann man in eisigen Korridoren die Kapuzinergruft mit 8000 vollständig bekleideten Mumien, die z.T. noch aus dem 16. Jahrhundert stammen, bestaunen.

Zu den deutschen Reisezielen gehören nicht nur Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Dresden und Köln, sondern auch Leipzig, Lübeck und Hiddensee – man merkt, die Amerikaner versuchen inzwischen, sich vom üblichen Mainstream-Blickwinkel zu lösen, auch intensive Naturlebnisse und sogar das Radfahren auf der Insel der Dichter und Denker zu berücksichtigen: Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Einstein, und Sigmund Freud schätzten ja schon dieses idyllische Refugium, das heute immer noch so abgelegen und fernab vom Touristenrummel liegt.

Den Hamburger Teil mit seinen betulichen Empfehlungen kann man aber eigentlich vergessen: Wer will heute schon im Gruftie-Schuppen Cöllns einkehren, wo sich früher Spiegel-Chef Augstein gern mit dem hochkarätigen ZEIT-Feuilletonisten Fritz J. Raddatz beim Fläschchen Schampus zusammensetzte? Und das Miniatur-Wunderland dürfte sich wohl auch nur für Modelleisenbahn-Freaks als großer Hit entpuppen. Überall kann man an der Waterkant Fahrräder und Ruderboote, Kajaks usw. mieten und damit die Stadt erkunden oder Hafenrundfahrten (auch alternative oder „Schmuggler“-Touren) mitmachen, die Wälder der Umgebung erkunden, nach Blankenese oder an die Elbe zum Schiffegucken fahren – all das hat der Hamburg-„Kenner“ Frank Bruni einfach ausgeblendet und stattdessen einen Rundgang durch die Hafen-City empfohlen, sehr merkwürdig.

Barbara Irelans_36 Stunden_Krakow

Von den insgesamt 125 Weekend-Locations sind die nördlichsten Reykjavik, Edinburgh, Oslo und Helsinki, während Istanbul, Triest, Athen, Thessaloniki, Mykonos, Thrakien und die dalmatinische Küste zu den südlichsten gehören. Die einfallsreiche Herausgeberin Barbara Ireleand hat sogar daran gedacht, ein Winter-Highlight, nämlich „Weiße Nächte in Petersburg“, zu berücksichtigen.

Zu den originellen und anregenden Tipps für Literatur- und Kunst-Freunde gehören die Kapitel über das verrückte walisische Büchernest Haye on Wye sowie das „Literary London“-Kapitel, in dem auf das Haus von Dr. Johnson, das Sherlock Holmes Pub, diverse Theater ebenso eingegangen wird wie auf das Cadogan- Hotel in der Sloane Street, in dem Oscar Wilde 1895 verhaftet wurde. Auch für Oxbridge-Ausflüge gibt es nützliche Tipps und die Schlemmer und Shopper kommen mit hunderten von speziellen Tipps ebenso auf ihre Kosten.

Ein ästhetisch sehr ansprechender, informativer Reiseführer der besonderen Art.

Peter Münder

Barbara Ireland (Hrsg.): 36 Hours. 125 Wochenenden in Europa. Taschen Verlag, Köln, 2013. 644 Seiten. 29, 99 Euro. Fotos: Taschen Verlag.

Barbara IrelandWikipedia: Barbara Ireland is an American musician, singer, and songwriter known for embracing and experimenting with many different genres of music, including rock, jazz, downtempo, punk, classic country, glam rock, and classical.

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