Geschrieben am 13. Juli 2009 von für Bücher, Litmag

Barbi Markovic: Ausgehen

Barbi Markovic: AusgehenBelgrader Zen

Die Serbin Barbi Markovic ist Germanistin und Thomas-Bernhard-Fan. Sie hat sich den Bernhard-Klassiker Gehen vorgenommen und daraus einen literarischen Remix gemacht. Von Tina Manske

Anders als beim österreichischen Vorbild geht es bei Ausgehen denn auch nicht um einen Hosenkauf und um das Gespräch über verrückte Mitmenschen, sondern um das Clubben in der Hauptstadt Belgrad, über Locations, die „flashen“ und solche, die eher zum Selbstmord animieren. Markovic kopiert und modifiziert Bernhards Erzählung Satz für Satz, und es ist schon erstaunlich, dass dabei nicht völliger Murks oder pseudointellektueller Wittgenstein-Schwachsinn herauskommt, sondern ein äußerst unterhaltsames, an Witz dem Original nacheiferndes Buch.

Aus dem Anfangssatz wird im Remix: „Während ich, bevor Bojana vom Clubben genug hatte, nur am Samstag mit Milica ausgegangen bin, gehe ich jetzt, nachdem Bojana vom Clubben genug hat, auch am Sonntag mit Milica aus.“ Was bei Bernhard das Versauern in einer Nervenheilanstalt ist, ist bei Markovi? also das Vor-der-Glotze-kleben der Bojana – auch eine Kulturkritik, wenn auch nicht besonders subtil. Bojana, die aber – wie es sich für eine Adaption von Gehen gehört – nicht selbst auftaucht, sondern nur in den Gesprächen zwischen zwei anderen jungen Menschen, ist eines nachts während eines Plastikman-Konzerts auf die Bühne geklettert, hat sich das Mikrofon geschnappt und eine flammende Rede gegen die ihrer Ansicht nach verkommene Belgrader Clubszene gehalten. Seitdem sitzt sie nurmehr vor dem Fernseher und geht überhaupt nicht mehr aus – „der Zustand der vollkommenen Sättigung, in welchem ich mich befinde, ist das Belgrader Zen.“

So Bojana, so Milica

Neben solch brüllend komischen Sätzen (deren Witz natürlich mindestens zur Hälfte dem Genie Thomas Bernhards geschuldet sind) schafft es Barbi Markovi? mit ihrem kleinen, gerade mal 90 Seiten starken Buch, die Atmosphäre einer durch Krieg und Elend erschütterten Metropole vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, einer Erschütterung, die die jungen Menschen darüber nachdenken lässt, warum sie eigentlich die Stadt nicht verlassen. Zwischendrin durchsetzt sie den Textfluss mit der Angabe von Tracks, die in den Clubs laufen, die Notate stehen auf den Seiten wie Meilensteine, wie Wegmarken des Ausgehens, mit all den Unterstrichen und Sonderzeichen, die das digitale Zeitalter hervorgebracht hat: „“Man Or Astroman-man or astroman – project infinityman or astroman – project infinity – 03 ———-Light Of My World14 wreckage Plastikman_closer_2003 NovaMute“ etc. pp. – das kann man für bemüht halten, weil es der Handlung nichts hinzufügt, hat aber seine eigene Berechtigung durch den Effekt, mit dem es die Atmosphäre clubtauglich aufheizt.

Tina Manske

Barbi Markovic: Ausgehen (Izlazenje, 2006). Aus dem Serbischen von Mascha Dabic.