Gelungene Persiflage über den Islam in Deutschland
– Schwer und bedeutsam und angestrengt, so wird meistens diskutiert und erzählt, wenn Moscheebauten, Kopftuchträgerinnen und das Verhältnis von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland das Thema sind. Es geht auch anders – das beweist Birand Bingül mit seinem Roman „Der Hodscha und die Piepenkötter“. Von Ulrich Noller
Eine Kleinstadt, irgendwo in NRW. Ein neuer Imam, der samt seiner Tochter aus der Türkei anreist. Eine CDU-Bürgermeisterin, die in Amt und Würden bleiben will. Und ein Showdown von gut anderthalb Monaten bis zur Wahl. Das ist das Setting, mit dem Birand Bingül in seinem Roman frei nach „Don Camillo und Peppone“ operiert:
Er kündigt eine Großmoschee an, sie lässt ein riesiges Kreuz vor dem jetzigen Hinterhofgebetsraum errichten, er führt sie bei einem „traditionellen“ Frühstück mit Pressefuzzis vor, sie lässt ihn bei einer Diskussion um die Rolle der Frau im Islam vor die Wand laufen und so weiter und so fort – der eitle, schlaue, manchmal jähzornige Nuri Hodscha und die selbstsüchtige, pfiffige, manchmal impulsgestörte Piepenkötter liefern sich ein Duell mit Haken und Ösen, das sich gewaschen hat: Wann immer eine Pattsituation erreicht schein, hat einer von beiden eine neue Idee, die die Absurdität ihres Streits noch mal weiter auf die Spitze treibt. Und sei es auf Kosten von Hülya und Patrick: Seine Tochter geht mit ihrem Sohn zur Schule, und die beiden verbindet etwas ganz anderes als die gepflegte Abneigung, die ihre Eltern füreinander hegen …
Birand Bingül ist Pressesprecher des WDR, früher hat er als Journalist gearbeitet, unter anderem für „Cosmo TV“, „Monitor“ und die „Tagesthemen“. Diesen Background merkt man seinem Roman an, im Guten wie im Schlechten: Alle Facetten des Themas sind da und gekonnt aufbereitet, insbesondere gewitzt gearbeitete Bezug auf „Don Camillo und Peppone“, aber hier und da stehen die Fakten vor der Form, die Geschichte ist nicht letztlich zu Ende geschliffen und gefeilt, und da würde man sich etwas mehr Literatur, weniger Journalismus wünschen.
Es ist jedenfalls schon ganz schön frech, eine neudeutsche Multikulti-Variation von „Don Camillo und Peppone“ mit islamisch-christlich-türkisch-deutschen Elementen von „Romeo und Julia“ anzureichern, um etwas über das Verhältnis von Muslimen und Nicht-Muslimen und über den Islam in Deutschland zu erzählen. Aber wer wagt, gewinnt, und Birand Bingül gelingt in seinem zweiten Roman genau das: „Der Hodscha und die Piepenkötter“ ist eine lustige, bissige, bitterböse, bei Bedarf aber auch liebevolle Persiflage über den Islam in Deutschland, bei der alle ihr Fett weg bekommen und die alles in allem so gekonnt temperiert ist, dass sie kein sensibles Thema auslassen muss, sondern im Gegenteil so richtig schön auf die Kacke hauen kann.
Ulrich Noller
Birand Bingül: Der Hodscha und die Piepenkötter. Reinbek: Rowohlt Polaris 2011. 315 Seiten. 13,95 Euro. Eine Leseprobe finden Sie hier.