Geschrieben am 10. September 2011 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

Bloody Chops

heute im Pingpong zwischen Joachim Feldmann (JF) und Thomas Wörtche (TW)

Ein neuer Rankin? Ach, wo …

(JF) Fangen wir der Einfachheit halber mit den Bösewichten an: Russische Mädchenhändler, korrupte Polizisten und ein hochrangiger Politiker, der seine Vorliebe für minderjährige Prostituierte ungern ans Licht der Öffentlichkeit kommen lassen möchte. Wer sich mit solchen Leuten anlegt, muss schon ein taffer Typ sein. Einer wie Angus Dury, Ex-Journalist, Säufer und seit neuestem Privatermittler ohne Lizenz. Als ihn nämlich sein Stamm-Kneipier bittet, den gewaltsamen Tod seines Sohnes genauer unter die Lupe zu nehmen, sagt Dury nicht nein. Und begibt sich auf eine kleine Expedition in Edinburghs Unterwelt, die ihn nicht nur einige Zähne kosten wird.

Für sein Krimidebüt hat Tony Black beliebte Versatzstücke des hartgesottenen Detektivromans aus der Mottenkiste geholt, ein bisschen abgestaubt und mit einer kräftigen Dosis Lokalkolorit versehen. Das liest sich im englischen Original ganz nett, wirkt auf Deutsch aber, allen Bemühungen des Übersetzers Jürgen Bürger zum Trotz, ziemlich ungeschmeidig. Und dass wir in Dury einen Nachfolger für Ian Rankins Rebus hätten, wie Blacks deutscher Verlag behauptet, soll glauben, wer will.

Tony Black: Geopfert. Roman. (Paying for it. 2008). Deutsch von Jürgen Bürger. Wien: Zsolnay 2011. 379 Seiten. 19,90 Euro. Zur vollgepackten Homepage des Autors und zum Verlag.

Schlechte Frauen!

(TW) Es gibt sie noch – Afrika-Thriller aus der Steinzeit. Aus dem Geiste von Wilbur Smith. Mit ganz guten Söldnern und ganz, ganz schlechten Frauen. Und bluttropfenden, ganz, ganz bösen und undankbaren Schwarzen, die fröhlich ihre Gräueltaten mit antiimperialistischen, antikolonialistischen und sonstwie linken Sprüchen begründen, die allesamt für sich genommen völlig richtig sind. Die uralte Diskreditierungsnummer halt. Tom Cains „Collateral“ ist so´n Schlocker. Toller Söldner, Spezialist für Tyrannenmord, erlegt afrikanischen Potentaten (eine an sich ganz gelungene Mischung aus Mobutu Sese Seko und Robert Mugabe plus) und wird dabei letztendlich ziemlich reich. Der üble Schwarze ist so böse, dass er gar physiognomisch entstellt ist, die guten Schwarzen sind Sidekicks und reiche, gute Weiße heißen de Klerk. Daneben gibt es noch prachtvolle Originale, die schon in Rhodesien tapfere, weiße Soldaten gegen terroristische Eingeborene waren. Und eine Menge Waffenkunde und gefräßige Löwen. Ach, Afrika! Und ach, was für ein sinnloser deutscher Titel. Und ach, was für ein Unfug!

Tom Cain: Collateral (Dictator, 2010). Roman. Deutsch von Angela Koonen. Köln: Bastei-Lübbe 2011. 414 Seiten. 9,99 Euro. Zur Seite des Autors bei Random House.

Ein wenig schal …

(JF) Dass Bücher „leise“, gar „still“ sein können, weiß jeder gewohnheitsmäßige Leser von Rezensionen. Gerne stellt man sich dann ein lautes Buch, vielleicht ein Tommy Jaud oder Charlotte Roche vor, das im Regal herumgrölt und randaliert, während sich die schweigsamen Exemplare „voller Zurückhaltung und Demut“ (Zitat) im Hintergrund halten. Ein Sonderfall ist das „stolze“ Buch. Seine vorlauten Brüder straft es mit Verachtung, hält aber auch vornehmen Abstand zu der leisen Verwandtschaft. Manchmal ist es auch „kühn“ und präsentiert sich allein auf einem Teetischchen, jedoch ohne sein Geheimnis preiszugeben, wie sich der hymnischen Besprechung eines solchen Solitärs erst kürzlich entnehmen ließ.

Wir von der Krimiabteilung halten uns normalerweise von solchen Büchern fern. Als Spannungsjunkies haben wir zwar nichts gegen Geheimnisse, erwarten aber, dass sie spätestens auf der zweitletzten Seite gelüftet werden. Es sei denn, eine Fortsetzung ist angekündigt.

Manchmal jedoch packt auch uns der Sinn nach Höherem. Dann reicht es nicht mehr, wenn Täter überführt und Motive enthüllt werden. Und wir greifen zu jenen Büchern, in denen sich der kriminalistische Plot mit existentialistischem Tiefsinn paart. In denen wir Sätze wie diesen lesen können: „Kimmo Joentaa lebte mit einer Frau ohne Namen in einem Herbst ohne Regen.“

Wenn es nämlich einen Autor gibt, der das auf unser gelegentlich aufflackerndes Kunstbedürfnis zugeschnittene Produkt liefert, dann ist es der Wahl-Finne Jan Costin Wagner, in dessen neuem Roman „Das Licht in einem dunklen Haus“ sich dieses Zitat findet. Zwar entstammt die Handlung – mysteriöse Todesfälle entpuppen sich als Morde, die aus Rache für ein Jahrzehnte zurückliegendes Verbrechen begangen wurden – dem bewährten Fundus nordeuropäischen Krimischaffens, erzählt wird sie aber in einer Sprache, die mit jedem zweiten Satz ihren literarischen Anspruch signalisiert. Ein Übriges besorgt die verrätselte Geschichte des traurigen Ermittlers Kimmo Joentaa, dem die Frau ohne Namen, die er Larissa nennt, abhanden kommt, ohne dass er wüsste, wo er nach ihr suchen sollte. Und deren Geheimnis ihm wie auch uns verborgen bleibt. So etwas lesen wir gerne in dem Bewusstsein, einen künstlerisch hochwertigen Einblick in die Abgründe des menschlichen Daseins zu erhalten, während uns die Suche nach dem Täter in Spannung hält, und sind zufrieden, dass es uns gelungen ist, den schalen Beigeschmack des Kunstgewerblichen zumindest für die Dauer der Lektüre zu ignorieren.

Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus. Roman. 309 Seiten. Berlin. Galiani 2011. 19,99 Euro. Zur Homepage des Autors, die Verlagsinformationen zum Buch und dessen Position auf der Krimizeit-Bestenliste im September.

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