Geschrieben am 22. Dezember 2012 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

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Bloody Chops – heute zerlegen Anne Kuhlmeyer (AK) Simon Borowiaks „Du sollst eventuell nicht töten“, Anna Veronica Wutschel (AVW) Chris Carters „Der Knochenbrecher“ und Thomas Wörtche (TW) die von Georg Schild und Anton Schindling herausgegebene Sammlung „Der politische Mord“.

130_0510_123986_xxlPossierlich

(AK) „Eine rabenschwarze Komödie“ wird auf dem Einband versprochen, wobei „schwarz“ neu zu definieren wäre. Vielleicht ein Schwarz mit rosa Rändern und hellgrünen Punkten? Und „Komödie“? Doch, ja, dagegen ist nichts einzuwenden. Im Roman beginnen die Kapitel mit  putzigen Karikatur-Vignetten. Das erste Bildchen: Schlomo beim Schoppen in der Mülltonne, denn Schlomo „containert“, das heißt er ergänzt die Einkäufe, die er für den blinden Freund Mendelsohn erledigt, durch Artikel aus dem Abfall der Supermärkte, sowohl aus Überzeugung (diese sündige Wegwerfgesellschaft), als auch aus Not. Schlomo, der Ich-Erzähler, arbeitet nämlich als … eigentlich nichts. Er schreibt, vielleicht, hin und wieder, irgendwas, und möchte mit Mendelsohn eine Detektei eröffnen. Ansonsten treibt der Mittvierziger eine Menge Schabernack und verliebt sich in die elfenhafte Nachbarin Marvie. Die zwanzigjährige Schauspielstudentin lebt mit ihren drei Geschwistern, die auch alle nix arbeiten, aber nett sind, wie Mendelsohn in einer Hamburger Villa.

Es geht slapstickhaft turbulent zu. Man gewandet sich anlässlich einer Pfingstparty in Bischofs- und Kardinalsroben, schüttet dumpfbackigen Krachmachern Suppe ins Cabrio und verbummdummelt Marvies Freund, einen aufgeblasenen Theaterschreiber, bis der ausrastet. Er ist ein Mann, der dauernd Probleme macht im Leben. Und danach erst recht.

Possierlich und kurzweilig erzählt, liest sich der Text behaglich so vorm Schlafengehen, im Wartezimmer oder wenn man sonst nichts Besseres vorhat. Zwischendrin wird gutmütig auf die katholische Kirche und ihre Skandale gezielt und knapp daneben getroffen. Es wird mit Hitler, Kohl und dem Kulturbetrieb gealbert oder über Inzest, Drogen und Moral gespaßt. Alles sehr fröhlich und witzig und kein klitzekleines bisschen böse, was wirklich sehr schade ist, denn der Autor versteht sein Handwerk. Zumindest ist der nicht so recht schwarzkomödiantische, eher hellgrauhumorige Roman  nicht auch noch, so viel sei verraten, mit einem glitzernden Happy End verzuckert. Wem in der Finsternis des Daseins die rosa Ränder und grünen Punkte abhandengekommen sein sollten, dem sei diese Lektüre ans Herz gelegt.

Simon Borowiak: Du sollst eventuell nicht töten. Roman. München: Knaus & Ko 2012. 223 Seiten. 14,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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carterPsycho-Unsinn

(AVW) Es ist eine unschöne Tat. Der Killer führt seinem selbstverständlich weiblichen Opfer ein Bömbchen in die Vagina ein, näht die Körperöffnungen zu und wartet ab, was passiert. Prompt explodiert der gesamte Sektionssaal, und übrig bleiben lediglich zerfetzte Leichenteile. Da so viel Irrsinn sich entfalten will, legt der Mörder nun ordentlich nach, entführt auf die Schnelle noch ein paar Frauen und stattet sie von innen heraus mit übel tödlichen Gerätschaften aus.

So einen perfiden Fall von Wahnsinn kann nur einer lösen – der geniale, schlafgestörte Ermittler Robert Hunter. Doch selbst ihm stehen vor Entsetzen nicht selten „alle Haare zu Berge“. Gut, dass er für solch schwere Krisensituationen ein probates Gegenmittel kennt – dann genehmigt er sich für die Nerven und die Geschmacksknospen einfach den einen oder anderen guten Scotch. So inspiriert, kombiniert er dann auch bald: Die Psyche des Mörders „ist zutiefst gestört“.

Zu diesem Superhirn gesellt sich die nicht minder talentierte, atemberaubend schöne Privatermittlerin Whitney Myers, die Hunters Vorliebe für Scotch nur allzu gern teilt. Überhaupt gibt es nur wunderschöne, künstlerisch geniale Frauen in „Der Knochenbrecher“, die am Ende der Lektüre praktisch alle einen fürchterlichen Tod gestorben sind. In dem verzweifelten Versuch seinen papiernen Figuren Leben einzuhauchen, erfindet Chris Carter einige rührselige Episoden von Schönheit, Genialität und schwer schiefgelaufener Liebe, die den Text auf gut 400 Seiten aufplustern.

Erzählt wird dieser Psycho-Unsinn in Klischees und Floskeln, die in ihrer Abgenutztheit dem Leser dann doch noch vor lauter Entsetzen „eiskalte Schauer über den Rücken jagen“.

Chris Carter: Der Knochenbrecher (The Night Stalker, 2011). Deutsch von Sybille Uplegger. Berlin: Ullstein 2012. 415 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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8e8e6b8321Nicht nur in tyrannos

(TW) Realpolitik und Polit-Thriller zehren vom gleichen (oder einem ziemlich analogen) Narrativ, Fiktives und Nicht-Fiktives ozsillieren in beiden Fällen. Prototypisch ist dafür der „politische Mord“, also die Option, Tyrannen, Schurken, Feinde, Mitwisser und problematische Zeugen, missliebige und unerwünschte Personen final aus dem Verkehr zu ziehen. Von Assassinen bis Drohnen stehen dafür eine Menge Möglichkeiten zur Verfügung. Der Diskurs über Legitimität, Legalität, ethische Verantwortbarkeit und politische Theorie zieht sich durch die Jahrtausende. Die politische Praxis ist davon eher legitimatorisch-rhetorisch betroffen.

Der von Georg Schild und Anton Schindling herausgegebene Band versammelt eine ganze Reihe vorzüglicher Aufsätze, die das Phänomen von allen möglichen realpolitischen und diskursiven Seiten beleuchten, als einzelne Fallstudien von Cäsar bis 9/11. „Die Antwort auf die Frage, aus welchen Gründen sich ein politischer Mord ereignet, gibt Hinweise auf tieferliegende Probleme innerhalb der jeweiligen Gesellschaft“ – dieses kühle erkenntnisleitende Interesse macht die Qualität der Sammlung aus: hinschauen, analysieren, statt zu früh moralisch zu bramarbasieren.

Der Band ist historisch angelegt. Neue Fallstudien zu neuen Methoden politischer Tötung, mit denen wir uns demnächst anlässlich der Studie „Gezielte Tötung. Die Zukunft des Krieges“ von Armin Krishnan beschäftigen, spielen hier noch keine große Rolle. Aber es wichtig, die historische Dimension des Phänomens zu betrachten.

Georg Schild/Anton Schindling (Hg.): Politischer Mord in der Geschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2012. 260 Seiten. 29,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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