Geschrieben am 21. November 2009 von für Bücher, Crimemag

C. J. Box: Todeszone

Beinahe ein Western

C. J. Box’ Roman Todeszone tanzt auf der Linie von Thriller und Western. So etwas hat spätestens seit Elmore Leonard gute Tradition. Joachim Feldmann ist überzeugt …

Der 1871 gegründete Yellowstone Nationalpark im mittleren Westen der Vereinigten Staaten ist eine Touristenattraktion ersten Ranges. Auf knapp 9.000 Quadratkilometern finden sich mehr als 10.000 geothermische Quellen sowie Canyons und Wasserfälle. Diese Wunderwelt verdankt sich dem Umstand, dass die Erdkruste hier besonders dünn und rissig ist. Oder, wie es der zum Apokalyptiker mutierte frühere Umweltaktivist Dr. Keaton den Gästen der Mitarbeiterbar des Mammoth Hotels erklärt: „Wir trinken unser Bier inmitten einer riesigen Caldera.“ Mit diesem Begriff bezeichnet man eine Vulkansenke oder wie Keaton es ausdrückt „die Mitte eines schlafenden Vulkans“. Und wenn der ausbreche, schreckt der Untergangsprophet seine Zuhörer, werde er sofort drei Millionen Menschen töten – alle Lebewesen im Umkreis von gut 300 Kilometern. „Asche wird den Kontinent bedecken, Tier und Menschen ersticken und alle Flüsse verstopfen. In New York wird nuklearer Winter herrschen, das globale Klima wird sich radikal verändern, und eine plötzliche böse Eiszeit wird über die Erde kommen.“

In Wyoming ist vieles anders

Man kann verstehen, dass dem Wildhüter Joe Pickett angesichts solcher Vorhersagen sein Bier bitter wird. Ein Spezialauftrag des Gouverneurs hat ihn von seinem üblichen Einsatzort in Saddlestring, Wyoming, nach Yellowstone verschlagen. Es gilt den Mord an vier Angestellten des Nationalparks aufzuklären. Das dürfte angesichts der Tatsache, dass bekannt ist, wer die jungen Leute kaltblütig erschossen hat, nicht so schwierig sein. Doch der Täter schweigt sich über sein wahres Motiv aus. Außerdem erweist es sich als unmöglich, ihn für sein Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, obwohl er freimütig ein Geständnis abgelegt hat.

Denn eine Gesetzeslücke macht es unmöglich, in einem bestimmten Teil des Parks begangene Straftaten zu ahnden. Es würde zu weit führen, die komplizierte Rechtslage, die für dieses Schlupfloch verantwortlich ist, im Detail zu erklären, aber es ist sicher, dass der amerikanische Thrillerautor C. J. Box die Basis des Plots für seinen neuen Roman Todeszone genau recherchiert hat. Eine Nachbemerkung weist darauf hin, dass auch in diesem Teil der USA der Zustand praktischer Gesetzlosigkeit bald ein Ende haben werde. Zumindest in der Theorie. Denn der Roman lässt keinen Zweifel daran, dass es Situationen gibt, in denen die Gerechtigkeit keine Chance hat, sich auf legalem Wege durchzusetzen.

C. J. Box’ Joe-Pickett-Romane können ihre Verwandtschaft zum Western nicht leugnen. Dazu trägt nicht nur der rustikale Schauplatz bei, auch ihre Helden, der Wildhüter Pickett und sein raubeiniger Kumpan Nate Romanowski, der immer im rechten Moment die Flinte parat hat, würden sicherlich eine gute Figur machen, wenn es darum ginge, Dodge City oder Tombstone aus der Hand schießwütiger Revolverhelden zu befreien. In Todeszone jedoch geht es um mehr. Hinter den Morden stecken ausgeprägte wirtschaftliche Interessen. Zwar gelingt es Pickett, einige der Drahtzieher dingfest zu machen, doch scheint es so, als ob manch wahrer Schurke nur aufgrund seines hohen politischen Amtes unbehelligt bleiben wird.

Verwirrende Verlagspolitik

Die Veröffentlichung von Todeszone (im Original Free Fire) ist der zweite Versuch, die sehr amerikanische Thriller-Reihe um den eigenwilligen Joe Pickett bei uns zu etablieren. Deren Erstling Keine Schonzeit (Open Season) erschien bereits 2003 bei Blanvalet, verkaufte sich aber trotz guter Kritiken eher mäßig. Dies mag der Grund sein, weshalb Heyne nun mit der Übersetzung des in den USA sehr erfolgreichen achten Bandes beginnt und verspricht, die Vorgänger bald folgen zu lassen. Hoffen wir, dass es dabei bleibt. Denn es wäre schade, wenn diese originelle und aufschlussreiche Reihe deutschen Lesern vorenthalten bliebe, zumal wenn sie erfahren wollen, was Nate Romanowski angestellt hat, um den Zorn des FBI auf sich zu ziehen.

Joachim Feldmann

C. J. Box. Todeszone. Thriller (Freefire, 2007). Roman.
Deutsch von Andreas Heckmann.
München: Heyne 2009. 448 Seiten. 8,95 Euro.