Der Tod des Sommers
Camilla Way wurde 2007 mit Ihrem Erstlingsroman Dead of Summer auf die Shortlist des „CWA New Blood Fiction Dagger“ gewählt. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Journalistin u. a. für das Männermagazin Arena. Im November 2008 wird mit Little Bird ihr zweiter Roman erscheinen. Der Kauftipp von Christian Koch (Hammett-Krimis).
Im Sommer des Jahres 1986 zieht die dreizehnjährige Halbwaise Anita zusammen mit drei älteren Geschwistern und ihrem Vater in eine ärmliche Gegend im Südosten Londons. Wie schon zuvor steht sie, das „Paki-Mädchen“, auch in der neuen Umgebung völlig verloren da. Nur zu zwei Jungen in der Nachbarschaft findet sie überhaupt Kontakt, zum schweigsamen Kyle und dem schwarzen Außenseiter Denis. Vom ersten Augenblick an ist sie von Kyle fasziniert. Seit seine kleine Schwester vor einem Jahr spurlos verschwand umgibt ihn eine Aura des Geheimnisvollen und Tragischen. In den für sie quälend langweiligen Schulferien machen sich die drei in tagelangen Touren auf die Suche nach alten Gruben und Tunneln, die am Themseufer in verrotteten Industriebrachen sein sollen. Doch eine Gruppe von älteren Jugendlichen verfolgt sie unbemerkt…
Liest man diese Inhaltsangabe oder gar den Klappentext des Rowohlt Verlages, so kann man nicht einmal ahnen, um was für einen außergewöhnlich guten Roman es sich bei Schwarzer Sommer handelt. Der Verlagswerbetext spricht ideenlos vom „schrecklichsten Verbrechen, das die Londoner Vorstadt seit langem erlebt hat“. Das ist genauso stereotyp wie nichtssagend. Denn die Tragödie, die hier erzählt wird, hat schon lange vorher begonnen. Nämlich in vollkommen kaputten Familien, wo Kinder als lästige Anhängsel empfunden werden und dann zu scheinbar seelenlosen Kreaturen mutieren. Die endlose Spirale von Gewalt, Zerstörung, Demütigung und günstigstenfalls Lieblosigkeit wird von Camilla Way hier gnadenlos protokolliert.
Ungetüm Jugend
Wegen der eindringlichen Art, das „Ungetüm“ Jugend zu beschreiben, kann man Camilla Ways Roman sicher mit Niccolo Ammanitis Die Herren des Hügels vergleichen. Schwarzer Sommer allerdings lässt einen niedergewalzt und hoffnungslos zurück. Das Finale ist böse und fernab von klassischer Auflösung ….
Warum der Rowohlt Verlag diesen Roman veröffentlicht hat und dann doch so stiefmütterlich behandelt, bleibt ein Rätsel. Der Roman ist Meilen entfernt vom zuletzt gewohnten „rororo“-Mittelmaß. Das ist natürlich nicht verwerflich, nur muss der Verlag gerade dann auch etwas mehr für das Buch und die Autorin tun. Denn so findet Schwarzer Sommer keinerlei Beachtung unter den zahllosen Neuveröffentlichungen. Wo sonst im Autorenporträt ellenlange Ausführungen zu Wohnorten, Lieblingsspeisen und lustigen Hobbys stehen, findet man zu Camilla Way vorne im Buch ganze 22 Worte. Auf der Internetseite des Verlages taucht sie auf der Autorenliste erst gar nicht auf. Und dabei gibt es doch so interessantes Material, z.B. hier.
Für die eher psychisch gefestigten und stabilen Menschen unter uns ist das Buch mein ultimativer sommerlicher Lesetipp.
Christian Koch
Camilla Way: Schwarzer Sommer (The Dead of Summer, 2007). Aus dem Englischen von Gabriele Weber-Jaric. Roman. Rowohlt Verlag 2008. 204 Seiten. 8,95 Euro.