Geschrieben am 30. September 2007 von für Bücher, Crimemag

Charles den Tex: Die Macht des Mr. Miller

Die Macht der Berater

Charles den Tex sieht in seinem neuesten Thriller die Welt von Datenklau und virtueller Meinungsmanipulation bedroht. Ein Schreckensszenario mit schrecklichem Happy End.

Wer seine Vorurteile pflegt, ahnte es schon immer. Unternehmensberater sind hochintelligente, aber auch skrupellose Gestalten. Doch dass sie es auf mehr als radikale Unternehmenssanierungen abgesehen haben, das ahnten wir nicht. Der niederländische Krimiautor Charles den Tex will uns aber genau das beweisen. Schließlich hat der gebürtige Australier in früheren Jahren auch einmal als Managementberater gearbeitet. Er kennt die Läden, von denen in „Die Macht des Mr. Miller“ die Rede ist. Weiß, wie die Leute in den gläsernen Consulting-Burgen ticken, wie sehr sie unter Druck stehen und wie groß ihr Einfluss auf die strategischen Entscheidungen von Bossen und Politikern ist.

Zeuge eines Mordes

Zu dieser selbstherrlichen Spezies von Unternehmens- und Politikberatern gehört auch Michael Bellicher: jung an Jahren, geistig gewandt, ehrgeizig und erfolgreich. Dass einen solchen Typen die Geschlechtsumwandlung seines Bruders so aus der Bahn wirft, dass er im wahrsten Sinne des Wortes die Besinnung und dann auch noch seinen Job verliert, ist schon recht unwahrscheinlich. Dass er sich nachts in der Firmenkantine einschließen lässt, um seinen Job zu retten und dabei zum Zeugen eines Mordes wird, ist abenteuerlich. Dass er aber genau deswegen ins Visier einer dubiosen Geheimgesellschaft gerät, die nichts weniger als die Weltherrschaft anstrebt und über ein streng abgeschirmtes virtuelles Netzwerk Macht und Meinung manipuliert, ist des fiktiven Fabulierens vielleicht etwas zu viel.

Natürlich können die wahren Täter den Mordverdacht auf Bellicher lenken, der nun von der Polizei und vom Kopf des virtuellen Netzwerks und dessen ganz realen Auftragskillern gejagt wird. Dabei weiß er weder etwas über die Hintergründe des Mordes an seiner Kollegin noch etwas über die genauen Ziele seiner Verfolger. Doch genau das muss er herausfinden, um sich vom Mordverdacht freizusprechen und der Bande das Handwerk zu legen. Auf seiner Flucht von einem Versteck zum anderen findet er nicht nur wieder zu sich selbst und seinem transsexuellen Bruder, sondern stößt glücklicherweise auch auf ein paar Computer-Cracks, die „Mr. Miller“ und dessen globale Machenschaften für ihn entschlüsseln.

Stereotypes Personal

Bei aller Anerkennung der sprachlichen Gewandtheit des niederländischen Krimipreisträgers, der Plot und die Figuren sind zu sehr auf einen oberflächlichen Effekt getrimmt. So unglaubwürdig überspannt wie der Charakter von Bellicher ist der ganze Aufbau seines preisgekrönten Thrillers. Es ist ja durchaus spannend und vielleicht sogar auch aufklärend, uns die Gefahren einer vernetzten und damit manipulierbaren Welt vor Augen zu führen. Doch dazu bedarf es weder eines solch überdrehten Protagonisten noch eines derart stereotypen Personals aus der Consulting- und Computer-Szene, um dem Leser die Geschichte vom globalen Gedankenklau glaubhaft zu machen. Allein aus der Plausibilität einer zukünftigen oder denkbaren Realität heraus lässt sich Spannung erzeugen. Doch den Tex wackelt auf dem Grat zwischen Fakten und Fiktion, so dass die Verwirrung, aber leider nicht die Spannung perfekt ist. Von einem solch hochgelobten Autoren hätte man sich etwas mehr Souveränität im Umgang mit der Materie und ein weniger überhastetes und übertriebenes Happyend gewünscht.

Jörg von Bilavsky

Charles den Tex: Die Macht des Mr. Miller. Graffit Verlag 2007, 448 Seiten, 18,90 Euro.