Geschrieben am 23. August 2014 von für Bücher, Crimemag

Chris Carter: Der Totschläger

Chris_Carter_Der_TotschlägerDer Totschläger as usual

– Chris Carter boomt. In den Buchläden stehen Regale mit dem „Totschläger“, dem „Totenkünstler“, dem „Kruzifixkiller“ und anderen reißerischen Titeln. So überrascht auch nicht der Inhalt dieses fünften Robert-Hunter-Thrillers. Und auch sonst überrascht wenig – findet Thorlef Czopnik.

Inhalt

Detective Robert Hunter, zuständig für die bestialischsten Morde und Leiter einer Spezialeinheit, erhält einen anonymen Anruf. Der Anrufer gibt ihm eine IP-Adresse. Nachdem Hunter und sein Kollege Garcia (der bei jedem Anruf des Killers mit im Büro sitzt) die Adresse in ihren Browser eingegeben haben, erscheint ein Mann in einem Glassarg. Hunter darf wählen, ob der Mann ertrinken oder verbrennen soll, letztlich ist dies irrelevant, denn der Anrufer lässt den Mann in ätzender Lauge (sic?) baden und verrecken. Nachdem die Leiche aufgefunden worden ist, ruft der Killer erneut an, er will wieder „spielen“, doch dieses Mal liegt die Entscheidungsgewalt bei den Zuschauern in Kalifornien, die entscheiden dürfen, ob eine Frau lebendig begraben oder – alternativ – gefressen werden soll. Natürlich wählen die Zuschauer gefressen und fungieren somit letztlich auch als eigentlicher Scharfrichter. Dabei wird die Frau von den sogenannten Tarantulafalken (Pepsis formosa) gestochen. Diese Tiere sind circa 4 cm große Wespen, deren Stich auf dem Schmidt Sting Pain Index als: „Heftig, blendend, furchtbar elektrisch. Als ob jemand einen laufenden Haartrockner in dein Schaumbad fallen lässt“, beschrieben wird. Dies wird hier deswegen erwähnt, weil der Roman nur von diesen Details handelt, wenn es darum geht, eine Foltersequenz darzustellen.

Nach dem Insektenmord folgt ein wenig kriminalistische Arbeit, die Betonung liegt hier auf wenig. Eine Hackerin vom FBI wird konsultiert, die jedoch hilflos ist, weil der Serienkiller zu clever ist und seine Spuren im Netz zu gut verwischt.

Als sobald klingt das Telefon erneut, und dieses Mal dürfen die User entscheiden, ob ein Mann, der auf einer Streckbank gefesselt ist, zerquetscht oder gestreckt werden soll. So vollzieht sich der Thriller, der von einer abscheulichen Qual weitergeht zur nächsten abartigen Folterszene.

Pepsis formosa (wikimedia commons)

Pepsis formosa (wikimedia commons)

Blut, Ekel & Sensationsgier

Allein der Titel, „Der Totschläger“, und auch das Cover lassen schon zu Beginn erahnen, worum es in diesem Thriller geht: Blut, Ekel, und dies möglichst plastisch dargestellt. Wobei der Originaltitel „One by One“ nicht derartig auf das Morden zielt, während der Titel „Der Totschläger“ schon ein wenig putzig erscheint, weil er mit dem eigentlichen Fall, mit der Story, so gar nichts gemein hat. Aber es klingt halt besser.

Die Backstory, wenn man es so nennen will, dreht sich um die lüsterne Gier der Menschen nach Sensationen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob man sich der Lächerlichkeit bei einer Castingshow im Fernsehen preisgibt, oder ob man auf einen Button im Internet klickt, wohl wissend, dass es kein Fake ist – und eine ekelhafte Tötungsmethode auswählt.

»Warum zum Teufel stimmen die Leute denn immer noch ab?«, blaffte Captain Blake völlig fassungslos. […] »Weil das die kranke Realität ist, in der wir heute leben, Captain«, sagte Hunter. »Den Leuten ist es schlichtweg egal. Sie laden ihre Happy-Slapping-Videos oder Filme von Gangfights auf YouTube hoch, und die Klicks gehen in die Hunderttausende. Je brutaler es ist, desto besser. Die Leute sind ganz heiß drauf. […]« (S. 297)

Klar, dass der Autor genau das anprangert, was er selbst produziert: Obszönes Abschlachten von Menschen nebst Detailreichtum der entsprechenden Leiden bei den Folterungen.

Chris Carter (© Privat/Quelle: Ullstein)

Chris Carter (© Privat/Quelle: Ullstein)

Figuren?

Die Charaktere wirken derartig flach, farblos und in die Klischeemaschine gedrückt, dass man irgendwann nicht mehr Hunter von seinem Kollegen Garcia unterscheiden kann. Andauernd werden »beunruhigende Blicke« ausgetauscht, sobald das Telefon klingelt. Dem Leser wird förmlich in das Hirn gemeißelt, dass es sich hierbei um den Schlimmsten der Schlimmen handelt, alles irgendwo alptraumhaft ist und das inflationäre Morden nicht aufzuhalten ist. Detective Robert Hunter stellt hierbei eine hoch intelligente Figur dar, die kaum schläft, weil sein Vater erschossen wurde und er dieses traumatische Erlebnis nicht verarbeiten kann. Sein Kollege Garcia hat eine Frau mit dem Namen Anna. Und das war es dann schon mit der charakterlichen Tiefgründigkeit, weil dann wieder das Telefon klingelt und man sich wieder den Folterszenen ausgesetzt sieht.

Fazit

Nein, der Thriller ist nicht spannend. Der Thriller mutet dem Leser viel zu, man bekommt feuchte Hände, man schüttelt sich, man schlägt mal das Buch zu, aber spannend? Nein. Eher ekelerregend, weil brutal und obszön, weil blutig und roh, unverblümt und sonst nichts, nur strunzlangweilig. Das ständige Gemetzel ist Farce. Es ist eine – schon fast – urtriebige Konditionierung des Lesers auf den Anruf des Killers bei Hunter.

Letztlich bleibt: Blut, schwacher Plot, blasse Figuren.

Thorlef Czopnik

Chris Carter: Der Totschläger (One by one, 2013). Roman. Deutsch von Sybille Uplegger. Berlin: Ullstein 2014. 454 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und Autor.

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