Geschrieben am 3. Dezember 2011 von für Bücher, Crimemag

Chuck Palahniuk: Diva

Nur ein Hauch von interessant

– Wo Chuck Palahniuk draufsteht, ist meistens eine Menge Verstörendes drin – und etwas Außergewöhnliches oftmals dazu. Bei Fight Club war es ein anarchistischer, schizophrener Büroangestellter und im neuen Roman Diva ist es eine manipulierende Haushaltshilfe, die seit Jahrzehnten eigentlich nur das Beste für ihre Miss Kathie will und dafür viel in Kauf nimmt.  Thorlef Czopnik ist nicht wirklich begeistert …

Der Plot ist schnell erzählt und nicht sonderlich interessant, wohl eher abschreckend langweilig, eintönig:

Katherine Kenton, ihres Zeichens alternde Hollywood-Diva, wird von einem jungen Kerl, Webster Carlton Westward III, umschwärmt. Der Hausangestellten und engen Vertrauten, Hazie Coogan, gefällt das nicht, ist es doch schon Ehe Nummer 8, die sich da abzeichnet.

Der einzige Spannungskick, den man aus dem Roman rausholen kann, ist die Tatsache, dass Webster Carlston Westward III ein Drehbuch bei sich hat, dass das komplette Leben von Miss Kathie zeigt und mit ihrem Tod endet. Das Drehbuch wird von Katherine Kenton gefunden und zusammen mit Hazie Coogen versucht sie, dem Tod zu entrinnen. Und das mehrmals. Denn Westward III ändert nach jedem gescheiterten Anschlag bzw. den Anschlägen, die im Drehbuch stehen, das Ende  der Story erneut.

Ende gut, alles gut …

Doch bis man zu diesem Punkt kommt, bei dem ein Hauch von „interessant“ mitschwingt, dauert es. Da kommen einem die insgesamt 220 Seiten vor wie 600. Daran ändern können auch die unzähligen Hollywood-Namen nichts, die dickgedruckt fast jeden zweiten Satz schmücken und dem Leser scheinbar metaphorisch die beschriebene Szene verdeutlichen sollen. Doch nach Seite 30 hofft man irgendwie darauf, dass diese Namenskette ein Ende findet. Fehlanzeige, die schleppen sich bis zum – ach! – spannenden Ende durch. Ja, genau! Das Ende ist top, spannend, überraschend, dass man nach dieser Lesenarkose beinahe einen Herzinfarkt bekommt vor lauter Aufregung.

Dieses Ende ist es auch, was den Roman vor einem völligen Misserfolg rettet.

Ein Drehbuch …

Der Roman als solches gleicht mehr einem Drehbuch. Anstatt Kapitelunterteilungen findet man Akte, Szenen,  was das Lesevergnügen nicht leichter macht, dafür aber interessanter. Aus dem Off beschreibt Hazi Coogan, die Haushaltshilfe, dann die Szenen, die zum Beispiel so klingen:

In der Eröffnungssequenz hält ein Taxi vor Miss Kathies Stadthaus. Die Sonne scheint durchs Laubwerk der Bäume. Vögel singen. Die Kamera nähert sich einem Fenster in der oberen Etage, Miss Kathies Boudoir, die Vorhänge sind vor dem blendenden Licht des Nachmittags fest zugezogen.

Interessant deshalb, weil es eben anders ist, ungewöhnlich. Das ist Palahniuk auch sehr gut gelungen. Die Beschreibungen sind kurz, knapp, wie gewohnt bei ihm.

Ansonsten wartet man auf Beschreibungen. Statt dessen hat man die Filmstar-Namen, die überall auftauchen, die die Handlungen der jeweiligen Personen schildern, aber letztendlich doch zu inflationär eingesetzt werden.

Wenn kaum Handlung da ist …

Auf eine spannende Handlung wartet man wirklich vergebens, dafür zeigt Palahniuk auf subtile Art und Weise die Langeweile Hollywoods. Klar, dass in Los Angeles mehr Schein als Sein vorherrscht als in anderen Städten,  das ist mittlerweile bekannt. So lässt sich Katherine Kenton vor ihrem ersten Date die ganze Sache nochmal durch den Kopf gehen – die überschüssigen Kilos müssen weg,  die gealterte Haut wird gestrafft und die Stellen, die von der Gravitation schon zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sind, werden geschickt vertuscht. Die Schönheits -OP zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Zudem will die Diva immer auf dem neuesten Stand bleiben. Wo andere morgens die Todesanzeigen in der Zeitung durchgehen und die Namen aus den Telefonbüchern streichen, muss Hazie Coogan in der Kenton Krypta, in Dorian Grey-Manier mit einem Diamantring die Falten in einen Spiegel zeichnen. Dafür steht Miss Kathie auf einem mit Lippenstift rot markierten X und blickt auf die Urnen verflossener Liebhaber und treuer Haustiere. Sowieso sammelt Katherine Kenton alles. Neben vielen Auszeichnungen, liegen im ganzen Haus verteilt abgelehnte Drehbücher, deren Inhalt in so mancher Szene als Einleitung dienen und an die alten Tage von Miss Kathie erinnern.

Charakterdarsteller …

Und die Figuren? Eindimensional, eintönig und berechenbar. Katherine Kenton ist die verwöhnte Filmdiva, die sich nach den guten, alten Zeiten zurücksehnt und dafür keinen Finger ihrer Filmstarhand krumm macht. Zudem wird mit dem, wenn auch sehr langsamen Voranschreiten des Romans klar, dass Katherine Kenton nur ein Dummy ist, eine Schöpfung, die dazu erfunden wurde, es in Hollywood mit ihrem Aussehen zu etwas zu bringen.

Hazie Coogan heißt der wirkliche Star dieses Romans. Sie hat Miss Kathie geformt. Sie lenkte und leitete deren  Leben, damit Geld, Erfolg und Ruhm nicht verschwinden und ein Mythos entstehen kann. Genau darum geht es hier nämlich: Um den Mythos. Und ausgerechnet der soll durch ein minderwertiges Drehbuch von Webster Carlton Westward III in den Dreck gezogen werden.

Westward III hingegen ist ein unmoralischer Jungspund, der für einige Minuten Ruhm alles tun würde. Später im Roman heiratet er Miss Kathie, was ihn scheinbar seinem Ziel näher bringt.

Bei all den beschriebenen Figuren fällt auf, dass sie nicht sonderlich viel Substanz zu bieten haben. Oberflächlich gezeichnete Figuren in einem oberflächlich geschriebenen Roman – passt also.

Fazit …

Bedenkt man, dass Chuck Palahniuk in Fight Club aus sterbenskranken Leuten eine Armee gezaubert hat, die auf Anweisung von Tyler Durden aus Seife Sprengstoff gebaut hat,  und vergleicht man dann diesen Roman mit Diva, liegt hier wohl der wahre Schrecken. Der frühe Roman weist geniale Einfälle auf mit einer super herrlich kreativen Würzung, der aktuelle schmeckt wie ein Mikrowellengericht ohne Geschmacksverstärker.

Da schaut man sich dann doch lieber die Verfilmung von diesem Kampf Club mit Brad Pitt und Edward Norton an und genießt das Popcorn. Denn das Drehbuch Diva wird keinen Oscar gewinnen, geschweige denn wird es auf dem Walk of Fame landen. Vor allem interessiert es keinen mehr, wie oberflächlich Hollywood ist. Das wissen wir schon lange. Aber schön, dass es  erwähnt wurde. Lieber ein (gutes) Ende mit Schrecken, als ein langweiliger Schrecken ohne Ende.

Thorlef Czopnik

Chuck Palahniuk: Diva (Tell All, 2010). Roman. Deutsch von Werner Schmitz. München: Manhattan 2011. 224 Seiten. 17,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Webseite des Autors.

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