Geschrieben am 29. Mai 2006 von für Bücher, Litmag

Denis Johnson: Jesus Sohn

Geschichten wie Kometen

Mit der Kurzgeschichten-Sammlung „Jesus’ Son“ begründete der heute zu den bedeutendsten amerikanischen Gegenwartsautoren zählende Denis Johnson Anfang der 90er seinen Kultstatus. Der unverwechselbare Sound dieser abgründig-halluzinatorischen Prosa, in der immer wieder unvermutet Elemente von Komik aufblitzen, sucht auch heute noch seinesgleichen.

Johnsons Ich-Erzähler „Fuckhead“ ist ein typischer Looser der amerikanischen Gesellschaft, der sich mit kleinen krummen Geschäften und Fluchten über Wasser hält. Wie er sind auch alle andere Figuren dieser Geschichten „aus der Welt herausgeschnitten und zum Abfall geworfen.“ Ohnmächtig fühlen sie sich vom Schicksal verfolgt und geben sich ihm unter Zugabe von reichlich Alkohol und Drogen aller Art fatalistisch hin.

Johnson beschreibt in seiner lakonisch-rauen Prosa zufällige Begegnungen zwischen diesen Gestalten der Nacht und des Rausches und beschwört dabei Bilder von intensiver Wucht herauf: „Unter Wolken wie großen grauen Gehirnen verließen wir den Highway und fuhren im dichten Abendverkehr nach Kansas City hinein.“

Wie Kometen tauchen Denis Johnsons Geschichten fremd und faszinierend aus dem schwarzen Nichts auf, um magisch wieder im Nichts zu verglühen und beim Leser eine brennende Erinnerungsspur zu hinterlassen.

Karsten Herrmann

Denis Johnson: Jesus’ Sohn. Rowohlt, 175 S., 14,90 Euro.