Geschrieben am 2. Dezember 2016 von für Bücher, Litmag

Don DeLillo: Null K

delillo_kDer unsterbliche Mensch

Don DeLillo ist ein zeitkritischer Meister der amerikanischen Gegenwartsliteratur und bespielt ein breites Genre-Spektrum. Aber egal ob episches Gesellschaftspanorama wie in „Unterwelt“, intimes Kammerstück wie „Körperzeit“, egal ob Story oder Theaterstück: Er garantiert packende Leseerlebnisse und zieht den Leser mit seinem kristallklaren und atmosphärisch dichten Sound von der ersten Seite an in den Bann. Umso größer ist nun die Enttäuschung beim Lesen von DeLillos neuen Roman „Null K“, der zwar gesellschaftlich wichtige Fragen stellt, aber kaum zu einer überzeugenden Form findet. Erst ganz am Schluss können wir DeLillo wieder in Höchstform erleben.

„Null K“ ist eine Geschichte über den Tod und die Unsterblichkeit, über die Beziehung zwischen einem erfolgreichen Vater und seinem suchenden Sohn Jeffrey, dem Ich-Erzähler. Zu Beginn trifft dieser in einem unheimlichen Zwischenreich am Ende der Welt ein, einem „Ort am äußersten Rand des Wahrscheinlichen“. Hier findet ein Projekt namens „Die Konvergenz“ statt, in dem Sterbende konserviert und eingefroren werden, um sie später wieder zum Leben zu erwecken: „Die Zukunft kommt, sobald es Maßnahmen gegen die Umstände gibt, die jetzt zum Ende führen. Geist und Körper werden wieder hergestellt, dem Leben zurückgegeben.“

Jeffrey ist an diesen Ort gekommen, um Abschied von der schwer kranken Freundin seines Vaters Ross zu nehmen. Ross, der Jeffrey und seine damalige Frau Melanie früh verlassen hat,  ist ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann mit einem weit verzweigten Netzwerk aus Firmen, Fonds, Stiftungen und Syndikaten, während Jeffrey eher auf eine holprige „Tolpatschvergangenheit“ zurück blickt und im Moment ohne Job ist. Verunsichert trudelt er durch das futuristisch-kafkaeske Zwischenreich der Konvergenz, in dessen Fluren Videos von Katastrophen, Terror und Tod in Endlosschleife laufen und die Sterbenden in kleinen Waben auf die Unsterblichkeit warten.

Zwei Jahr später wird Jeffrey zusammen mit seinem Vater, der seiner Freundin folgen will,  an diesen Ort zurückkehren. In der Zwischenzeit, in der er sich auf Jobsuche macht und ein attraktives Angebot im Imperium seines Vaters ausschlägt, rettet ihn seine Freundin Emma vor der „völligen Entfremdung“. Denn immer drängender fragt er sich, wann „man zu seinem Vater [wird]“ und die jahrelang aufgebauten „Schutzschilde“ und „Abgrenzungen“  im Verhältnis zu ihm sich auflösen würden.

Don DeLillo beleuchtet in seinem Roman ein ethisch und gesellschaftlich hochbrisantes Thema und gibt einen kleinen Einblick in eine Zukunft, in der die Reichen sich ihre Unsterblichkeit kaufen können und auf ein intensiviertes Leben in einer besseren Zukunft hoffen dürfen. Die Grenzen des Menschsein werden so überschritten und es stellt sich die Frage: „Macht es den Menschen nicht gerade aus, dass er sich weigern kann, ein bestimmtes Schicksal anzunehmen?“

Die Ausführung des Themas und die Verbindung mit einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung bleiben allerdings fragmentarisch und in Teilen sogar abstrus. Da auch die Charaktere blass bleiben, gelingt es DeLillo nicht, den Leser in diese Geschichte hineinzuziehen. Erst zum Schluss verdichten sich seine Prosa und die existentielle Fragestellung noch einmal zu gewohnter Meisterschaft und zeigen auf, was dieses Buch hätte sein können.

Karsten Herrmann

Don DeLillo: Null K. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Kiepenheuer & Witsch 2016. 280 Seiten. 20,00 Euro.

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