Eine Aneinanderreihung von Klischees und Klamauk
– Seit sein großer Barcelona-Roman „Die Stadt der Wunder“ 1989 auf Deutsch erschien, ist Eduardo Mendoza auch hierzulande eine feste Größe auf dem Buchmarkt. Von ihm liegt inzwischen ein rundes Dutzend Romane in deutscher Übersetzung vor. Und die meisten überzeugten. Als sich der Katalane allerdings an ein aktuelles politisches Thema wagte – die Veränderungen, die ein Politiker durch den Wahlkampf erfährt („Mauricios Wahl“, 2007) – kam nichts sonderlich Gutes dabei heraus. Sein neuer Roman befasst sich wieder mit der aktuellen Politik, mit dem Einfluss der derzeitigen Wirtschaftskrise auf sein Land. Und erneut patzt Mendoza, urteilt Eva Karnofsky über seinen Roman „Der Friseur und die Kanzlerin“.
Der Originaltitel des neuen Romans von Eduardo Mendoza klingt, wörtlich übersetzt, bereits einigermaßen holprig: „Das Durcheinander an der Börse und das Leben“. Für den deutschen Markt hat man mit „Der Friseur und die Kanzlerin“ einen gefälligeren Titel gefunden, der im Übrigen auch besser zum Inhalt passt. Der Klappentext verspricht eine Kriminalsatire, in der ein durch die Wirtschaftskrise gebeutelter spanischer Friseur ein Attentat auf Bundeskanzlerin Angela Merkel vereitelt. Zumindest für deutsche Leser klingt dies durchaus interessant. Doch nichts ist wirklich stimmig an diesem Roman. Eduardo Mendozas Grundirrtum liegt darin, zu glauben, dass durch Überzeichnung auf allen Ebenen automatisch eine gute Satire entsteht: Sein Buch wirkt albern durch ein Zuviel vermeintlich komischer Elemente.
Dies zeigt sich bereits bei den Namen der Romanfiguren. Charaktere kann man sie nicht nennen, da Mendoza diese nicht herausarbeitet. Zum Kreis dieser Figuren, die den Friseur und Ich-Erzähler mit dem Spitznamen „das giftige Fürzchen“ umgeben, gehört das Mädchen Quesito, zu Deutsch kleiner Käse, der indische Guru Shvimimshaumbad und der kleine Ganove Romulus der Schöne, um nur einige zu nennen. Der Terrorist des Romans wurde Alí Aarón Pilila getauft. Der Nachname Pilila ist eine Vulgärform für Penis. Einer Kneipe gibt Mendoza im Übrigen den Namen „Bierstube Dr. Schwuchtel“, eine andere heißt „Hund zu verkaufen“. Übersetzer Peter Schwaar hat einige Namen ins Deutsche übertragen, andere wieder nicht, wobei sein Geheimnis bleibt, welcher Regel er dabei gefolgt ist.
Und nun zur Sprache. Sie kommt überzogen förmlich und gestelzt daher. Mendozas Ziel dürfte es gewesen sein, die übertrieben formale Art zu sprechen zu karikieren, die im spanischsprachigen Raum oft anzutreffen ist, wenn einfache Menschen sich gewählt ausdrücken möchten. Nur: Wirklich lustig ist das nicht.
An seinem politischen Sujet gescheitert
Die Ereignisse nehmen damit ihren Anfang, dass Romulus der Schöne verschwindet. Unser Friseur hat ihn in einer Irrenanstalt kennengelernt und sich mit ihm angefreundet. Womöglich, so vermutet der Friseur, ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen.
Und so aktiviert er einige Straßenkünstler aus seinem Bekanntenkreis, Romulus den Schönen zu suchen. Bei den Nachforschungen stoßen sie zufällig darauf, dass der Terrorist Alí Aarón Pilila ein Attentat auf Angela Merkel plant, in dessen Vorbereitungen auch Romulus der Schöne verwickelt zu sein scheint.
Doch die Polizei rufen will unser Friseur nicht, denn so meint er, einem Friseur und einer Handvoll Straßenkünstler würde ohnehin niemand glauben. Der wahre Grund dafür, die Polizei nicht einzuschalten, dürfte sein, dass Mendoza seinen Roman nicht an dieser Stelle beenden will. Er will vielmehr noch die Schwester unseres Friseurs, eine ehemalige Prostituierte, in die Rolle der deutschen Kanzlerin schlüpfen lassen. Die Schwester hält als vermeintliche Kanzlerin sogar eine Rede vor den Bürgern Barcelonas und wird verletzt. Währenddessen verwechselt Angela Merkel unseren Friseur mit ihrem früheren Liebhaber Manolo. Mendoza lässt sie bei dem Zusammentreffen Spanisch radebrechen, was lächerlich rüberkommt.
Offensichtlich wollte Mendoza mit der Kanzlerin abrechnen. Viele Spanier machen Merkel für ihre persönliche Misere verantwortlich, weil sie ihre Regierung zum Sparen gezwungen hat. Doch man hätte sich eine intelligentere literarische Form und einen weniger langweiligen Plot dafür gewünscht.
Mendoza geht ausführlich auf die schwierige ökonomische Lage der Menschen ein. So verdingen sich sämtliche Freunde des Friseurs als Straßenmusikanten oder lebende Statuen, weil sie keine andere Arbeit finden. Und unser Friseur, den die Schulden für seinen Laden auffressen, hat – auch dies ist wieder eine der vielen Übertreibungen – keine einzige Kundin mehr. Nur das chinesische Warenhaus mit seinen Billigprodukten macht noch gute Geschäfte.
Das Ende vom Lied: Der Friseur muss nicht nur seinen Laden an den chinesischen Warenhausbesitzer verkaufen, der darin einen Schnellimbiss eröffnet, sondern er muss sich auch noch in diesem Restaurant als Tellerwäscher verdingen. Die Chinesen sind natürlich übertrieben höflich und die Deutschen essen – Sauerkraut.
Eduardo Mendozas Roman „Der Friseur und die Kanzlerin“ ist nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Klischees und Klamauk. Der europäischen Wirtschaftskrise, und speziell der Notsituation vieler Menschen in Spanien, Portugal und Griechenland, hätte man eine angemessenere literarische Bearbeitung gewünscht. Wieder einmal ist der Autor an einem aktuellen politischen Sujet gescheitert.
Eva Karnofsky
Eduardo Mendoza: Der Friseur und die Kanzlerin. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Nagel & Kimche, München 2013, 281 Seiten, Euro 18,90. Foto: Mr. Tickle, Wikimedia Creative Commons 3.0, Quelle.