Aufbruch in die Neuzeit
Vor 700 Jahren wurde Francesco Petrarca geboren.
Gekrönter Dichterkönig, Philosoph, Bergsteiger, Bibliophiler und Diplomat – Francesco Petrarca war ein Universaltalent. Mit ihm endete das Mittelalter und die Neuzeit brach sich ihre Bahn.
Untrennbar sind so die Renaissance und der Humanismus mit dem Namen Petrarcas verbunden – und damit der Versuch einer Wiedergewinnung der Antike als Gegenmittel zum beklagten Kulturverfall der eigenen Zeit. Wiedergewinnung bedeutete dabei allerdings nicht Imitation, sondern Interpretation und Anverwandlung der Antike im Wissen um die historische Distanz. Mit Petrarca beginnt die Abkehr von der spätmittelalterlichen Scholastik und eine Besinnung auf eine Philosophie als „Kunst, die mich besser machen wird.“ Damit einher gehen die folgenreiche Individualisierung des Menschen, der Wille zur kreativen Selbsterprobung und Selbstformung sowie die Erkenntnis der Pluralität und Kontingenz der Welt, die schließlich in der Postmoderne ihren spielerischen Höhepunkt erleben sollte.
Geboren wurde Petrarca am 20. Juli 1304 im toskanischen Arezzo als Sohn eines aus Florenz verbannten und mit Dante befreundeten Notars. 1312 siedelte die Familie nach Avignon über, wo derzeit die päpstliche Kurie residierte. Nach einem Jurastudium in Montpellier und Bologna kehrt Petrarca 1326 anlässlich des Todes seines Vaters in die Papststadt zurück und kann mit dem Erbe seiner eigentlichen Leidenschaft frönen: den Büchern und der Literatur, aber auch dem süßen Leben der jeunesse dorée.
Öffentlich bekannt wird Petrarca erstmals mit einer philologischen Rekonstruktion der Werke des römischen Klassikers Titus Livius. Er, der sich im Laufe seines Lebens eine Bibliothek aufbauen sollte, die in Europa ihresgleichen suchte, widmete sich dabei insbesondere der bis dato vernachlässigten Frage nach der authentischen Textgestalt und begründete somit einen Paradigmenwechsel in der Philologie.
Berühmt wurde Petrarca jedoch als der Verfasser des „Canzoniere“, einer Sammlung von 366 Gedichten, die in der volkssprachlichen provenzalisch-italienischen Tradition verfasst sind. Im Zentrum der Sonette, Kanzonen, Sestine und Madrigale des 1341 auf dem Römer Kapitol öffentlich gekrönten Dichterkönigs steht die allegorisch benannte Laura, die Unerreichbare, die das nie zu stillende Verlangen nach Vollkommenheit verkörpert. Petrarcas Gesänge, in denen, so der Frühromantiker A.W. Schlegel, „Seligkeit und Pein sich süß verwirren“, sollten für ganze Dichtergenerationen und bis zur epigonalen Erstarrung zum Modell lyrischer und melancholisch grundierter Liebessprache werden:
„O unser Leben, allzu schöner Schein / wie leicht kann schon ein Augenblick zerstören / das schwer in langer Zeit erworbne Glück“.
Nach seinem Tod im Juli 1374 hinterließ Petrarca nicht nur lyrische Sammlungen in italienischer und lateinischer Sprache, sondern auch umfangreiche philologische, historische und philosophische Werke. Bis heute wartet insbesondere seine Lyrik noch zu einem großen Teil auf eine zeitgemäße deutsche Übersetzung.
Zum 700. Geburtstag Francesco Petrarcas ist jetzt auch ein großformatiger und reich illustrierter Sammelband (DuMont) zu Leben, Werk und Wirkgeschichte erschienen. Neben einer profunden Einleitung von Gerhard Regn beleuchten Essays namhafter Wissenschaftler die verschiedenen Facetten dieser schillernden Renaissance-Figur. Abgerundet wird der Band durch Selbstzeugnisse, Widmungs-Gedichte zeitgenössischer Autoren wie Durs Grünbein oder Joachim Sartorius sowie einer kommentierten Bibliographie.
Karsten Herrmann
Reiner Speck / Florian Neumann (Hg.): Petrarca. 1304-1374
Dumont Literatur und Kunst Verlag 2004
Gebundene Ausgabe. 493 Seiten. 48 Euro.
ISBN: 3832174788