Geschrieben am 21. März 2010 von für Bücher, Crimemag

Friedhelm Werremeier: Trimmels letzter Fall

Trimmel is back …

Nach 25 Jahren lässt Friedhelm Werremeier eine Ikone der bundesrepublikanischen TV-Kultur, den Kommissar Trimmel, noch einmal ermitteln – in Prosa. Ein Dialog mit der Vergangenheit, die Re-Vision einer fiktiven Biografie? Joachim Feldmann hat sich Gedanken gemacht …

Die berühmten schmalen Taschenbücher aus der rororo-Thriller-Reihe hatten, unabhängig vom jeweiligen Inhalt, zwei unverkennbare Merkmale. Da war zum einen die notorisch witzige Anzeige für Pfandbriefe und Kommunalobligationen, die sich gewöhnlich weiter hinten im Buch fand, und zum anderen das dem eigentlichen Roman vorangestellte Verzeichnis der „Hauptpersonen“, wie es in der Überschrift hieß. Da fanden sich in der Regel um die zehn Namen, mit betont kryptischen Begleittexten versehen. „Göta Isaksson erinnert sich an etwas und sagt es“, heißt es beispielsweise im ersten der Martin-Beck-Krimis des Autorenpaars Sjöwall/Wahlöö Die Tote im Götakanal.

Wer Trimmels letzter Fall von Friedhelm Werremeier liest, wünscht sich, dass der Pendragon Verlag diese Sitte weiterpflegen würde. Allein um die 20 Figuren tauchen nämlich allein auf der Seite der Gesetzeshüter auf, die Namen wie Blaukopf, Golz oder Speer tragen. Und mitten unter ihnen agiert der inzwischen pensionierte Hauptkommissar Paul Theodor Trimmel, der vor über 40 Jahren in Werremeiers, damals unter dem Pseudonym Jacob Wittenbourg veröffentlichtem, Krimidebüt Ich verkaufe mich exklusiv seinen ersten Auftritt hatte. Der Roman erschien übrigens, wie auch die meisten seiner Nachfolger, als rororo-Thriller.

Einem Massenpublikum bekannt wird Trimmel allerdings als erster „Tatort“-Ermittler. Insgesamt werden zwischen 1969 und 1982 elf seiner Fälle für die Reihe verfilmt. Als „Unglück“ schätzt ein Kritiker, der Werremeier als Konstrukteur kühner Plots lobt, diese enge Zusammenarbeit ein. Vielleicht zu Recht, lässt sie doch die literarische Leistung eines der großen Modernisierer des Genres in Deutschland hinter der populären TV-Version verschwinden. Denn Friedhelm Werremeier ist nicht nur ein Meister lakonischen Erzählens, er hatte auch als gelernter Reporter ein untrügliches Gespür für aktuelle Themen.

Und nun ermittelt er wieder, der „’Tatort’-Kommissar der ersten Stunde“, wie es erwartungsgemäß auf dem Cover des hübschen Taschenbuchs heißt. Und dies in zunächst rasanter Geschwindigkeit. Gleich im ersten Kapitel nämlich wird Trimmels Lebensgefährtin Gaby während eines gemeinsamen Kuraufenthalts in Bad Salzuflen ermordet, und nur wenige Seiten später hat der alte Kommissar den Täter ermittelt. „Ein abgerundetes Meisterstück“, urteilt der Erzähler und wie gerne würde man dieses Qualitätssiegel auch dem ganzen Roman verleihen, doch leider stürzt Trimmels letzter Fall seine Leser eher in Verwirrung, als dass er Lektürevergnügen bereiten würde. Dazu trägt nicht allein das nur schwer überschaubare Figurenensemble bei, auch der Plot scheint mir mit dem Attribut „komplex“ noch nicht hinreichend beschrieben.

Zombie

Nach dem Salzufler Fall nämlich geht der „ehemalige Mordbereitschaftsleiter“ zwar in den vorzeitigen Ruhestand, doch als „ein für lange Zeit namenloser Zombie das Entsetzen über die Stadt“ bringt, wird sein kriminalistischer Sachverstand ein letztes Mal gefordert.

Der Hund eines Spaziergängers stößt am Ufer eines Tümpels auf eine menschliche Hand, die zweifelsfrei einem verschwundenen kleinen Mädchen zuzuordnen ist. LKA-Leiterin Annette Rechberg wähnt einen Serienmörder am Werke. Später findet Trimmel im Keller seines Hauses den Kopf der Leiche. Offenbar hat der Täter eine persönliche Beziehung zu dem pensionierten Kriminalisten. Die Spur führt zurück zum Fall des Zuhälters Connie Schiefelbeck, dem Trimmel nicht nachweisen konnte, dass er seine Geliebte Angy Brock vorsätzlich ermordet hatte. Doch Schiefelbeck ist tot … Dafür lebt Lori Wismar, eine vierfache Prostituiertenmörderin. Und sie ist auf freiem Fuß.

Wie alle diese Dingen zusammenhängen, wird irgendwann im Laufe des Romans in gekonnt lakonischen Halbsätzen geklärt, doch man gewinnt nicht den Eindruck, als ob dem Autor an solcher Aufklärung wirklich viel läge. Interessierter scheint er an Trimmels Biografie zu sein, deren Abgründe nun endlich ausgeleuchtet werden. Außerdem versorgt uns Werremeier mit einer, die Literarizität des kriminellen Geschehens betonenden, Rahmenhandlung.

Um es kurz zu machen: Trimmel letzter Fall ist der Abgesang auf einen großen Ermittler, ein Satyrspiel, das 25 Jahre, nachdem der letzte der 14 Bände dieses bundesrepublikanischen Sittenbildes erschien, einen Schlusspunkt setzt. Interessierte Leser sind nicht schlecht beraten, wenn sie vor der Lektüre den einen oder anderen der alten Fälle studieren, zum Beispiel Trimmel hält ein Plädoyer von 1976. Im Buchhandel allerdings wird man die Titel vergeblich suchen, sie sind sämtlich vergriffen. Aber noch wird man bei den einschlägigen Internet-Antiquariaten für wenig Geld fündig.

Joachim Feldmann

Friedhelm Werremeier: Trimmels letzter Fall. Roman. Mit einem Nachwort von Frank Göhre. Bielefeld: Pendragon 2009. 232 Seiten. 9,90Euro.