Geschrieben am 16. Februar 2004 von für Bücher

Garry Disher: Hinter den Inseln

Liebe, Krieg und Verrat

Der Australier Garry Disher hat sich hierzulande insbesondere durch seine „Wyatt“-Gangster-Thriller und die mehrfach preisgekrönten „Hal Challis“-Detektiv-Romane wie den „Drachenmann“ einen guten Namen gemacht. In seiner Heimat ist er dagegen auch für seine Kinder- und Sachbücher sowie für seine historischen Romane bekannt. Mit „Hinter den Inseln“ können wir Gary Disher nun auch von dieser Seite kennen lernen.

Im Zentrum von Dishers zwischen 1934 und 1947 spielenden neuen Roman steht Neil Quiller. Nach dem Tod seiner Mutter in England bringt er als 11jähriger eine Odyssee hinter sich, um schließlich im westaustralischen Busch bei Onkel und Tante zu landen. Für deren Sohn Cameron bleibt er dabei immer „der arme blasse Vetter aus einem zugeknöpften, bitterarmen Land“ und so bekommt er in den Jahren seines Exils nicht ein einziges Mal das Gefühl „angekommen zu sein“. Einziger Lichtblick ist für ihn Camerons Spielgefährtin und spätere Frau Jeannie sowie die nagelneue Percival Gull seines Onkels, mit der seine Flugbegeisterung ihren Anfang nimmt.

Mit 18 Jahren heuert Neil bei der Royal Airforce als Aufklärungsflieger an und wird 1941 am Golf von Siam stationiert, wo man vor exotischer Kulisse stündlich auf die japanische Invasion wartet. Dann bricht die Hölle herein: Bombardements, spektakuläre Luftkämpfe, Abstürze, Sabotage, Spionage und Flucht. Immer weiter werden die alliierten Streitkräfte zurückgedrängt und bald tauchen die ersten japanischen Kampfflieger auch schon an der Westküste Australiens auf.

Katastrophale Ent- und Verwicklungen en masse


Garry Disher erzählt seine Geschichte in einem Wechsel aus Vergangenheit und Gegenwart und blendet zwischen der Perspektive Neil Quillers sowie der in Haarlem Downs ausharrenden Jeannie hin und her. Seine Prosa ist gewohnt sinnlich, schlicht und schnörkellos, doch seine Charaktere und Szenen erreichen hier nicht die ungeheure Dichte und Intensität wie beispielsweise im „Drachenmann“. Trotz seiner dramatischen Anlage – so trifft Neil in den Kriegswirren seinen Neffen Cameron wieder – verliert sich die Spannung in einem Knäuel aus katastrophalen Ent- und Verwicklungen: „Zeit und Raum bewegten sich, und die ganze Welt strandete bei Neil“.

So erzählt „Hinter den Inseln“ nicht nur ein fast vergessenes Kapitel des 2. Weltkriegs, sondern auch vom Kolonialismus mit seinen ungeheuren Verwerfungen, von Heimatlosigkeit, Liebe, Hass und Verrat. Leider gelingt es Garry Disher dabei nicht, die historischen und persönlichen Dimensionen seines Romans zu einer überzeugenden, packenden Synthese zu verschmelzen.

Karsten Herrmann

Garry Disher: Hinter den Inseln. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, 381 S., 21,90 Euro, ISBN: 3-293-00319-2.