Geschrieben am 25. August 2012 von für Bücher, Crimemag

Heinrich Eppe: Kalte Mauern

Die Mumie im Turm

– Irgendwelche skandinavischen Schocker und anderer Unfug demolieren so allmählich das Image des Genres „Kriminalliteratur“. Aber das muss nicht sein. Gute Kriminalromane sprießen überall. Joachim Feldmann wäre beinahe so ein Exemplar durchgerutscht.

Der Klappentext verspricht Schröckliches. In Richmond, Virginia, wird der Konservator des Edgar-Allan-Poe-Museums „bestialisch ermordet“, während fast zur gleichen Zeit im norwegischen Trondheim „ein nahezu identischer Mord begangen“ wird. „Die Bibliothekarin Gunn Brita Dahle wird enthauptet und enthäutet aufgefunden. Auf beiden Seiten des Atlantiks beginnen die Ermittlungen. Doch der Killer hat sein nächstes Opfer längst im Visier.“

Wer das sein wird, möchte man jetzt schon nicht mehr wissen. Der neueste „Sensationserfolg aus Skandinavien – wochenlang auf Platz 1 der norwegischen Bestsellerliste“, dessen Titel hier verschwiegen werden soll, gehört zu jenem Typ Bücher, die selbst den hartgesottensten Liebhaber am Genre verzweifeln lassen können.

Dass die Rettung dann ausgerechnet durch ein Büchlein, auf dessen Umschlag die wenig einladende Gattungsbezeichnung „Hohenlohe-Krimi“ prangt, erfolgen sollte, war allerdings nicht zu erwarten. Ein Kriminalroman, der im „schwäbischen Burgenland“ spielt, wie die Region laut Baedeker auch genannte wird, findet gewöhnlich schon im Badischen keine Leser mehr.

Doch der Zufall wollte es, dass mir Heinrich Eppes „Kalte Mauern“ in die Hände fiel und für eine ausgesprochen vergnügliche Lektüre sorgte. Ganz ohne Leiche geht es natürlich auch hier nicht, doch die Mumie, die in einem alten Zollturm nahe Rothenburg ob der Tauber gefunden wird, ist mindestens vierzig Jahre alt. Und die dazu gehörende Geschichte ist zwar spannend, aber nicht blutrünstig.

Es spukt

Birgit Wallo muss sich, nachdem sie ihren Redakteursposten bei der Lokalzeitung verloren hat, als freie Journalistin durchschlagen. Auf einen Tipp hin recherchiert sie die Geschichte des Zollturms. Dort soll der Geist eines Bürgermeisters aus dem Mittelalter herumspuken. Der Bauer, auf dessen Hof das alte Gemäuer steht, macht begeistert mit, hofft er doch, dass Filmteams auf die pittoreske Kulisse aufmerksam werden. Was die junge Reporterin allerdings ans Tageslicht fördert, sind keine alten Geistergeschichten. So findet sie heraus, dass der schwerreiche Bauunternehmer Kochendörfer, dem sie den Hinweis auf den Turm verdankt, in seiner Jugend nicht nur fanatisches Mitglied einer maoistischen Mini-Partei war, sondern inkognito einige Zeit in einer esoterischen Landkommune sein Inneres zu ergründen suchte. Offenbar ohne großen Erfolg. Wie ein Sinnsucher wirkt der braungebrannte Schwadroneur mit Privatjet und Baustellen auf der ganzen Welt nicht gerade. Doch einen Mord traut ihm Birgit Wallo auch nicht zu. Anders als die örtliche Polizei, die Kochendörfer verdächtigt, in den „Mumienfall“ verwickelt zu sein.

Natürlich verhält sich alles ganz anders, doch um das herauszufinden, muss die wackere Amateur-Ermittlerin nach Montana fliegen, wo ein uralter Cowboy für des Rätsels Lösung sorgt. Eine hübsch verwickelte Geschichte um Täuschung und Wahrheit also, die mit viel Witz und Ironie erzählt wird. Und die es verdient hat, auch außerhalb des „Ländles“ gelesen zu werden. Sogar in Oer-Erkenschwick, wo der Autor viele Jahre das Archiv der Arbeiterjugendbewegung geleitet hat.

Joachim Feldmann

Heinrich Eppe: Kalte Mauern. Ein Hohenlohe-Krimi. Tübingen: Silberburg-Verlag 2011. 217 Seiten. 9,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

Tags :