Geschrieben am 19. Dezember 2012 von für Bücher, Litmag

Hunter S. Thompson: Die Rolling Stone Jahre

Die Rolling-Stone-Jahre von Hunter S ThompsonBegräbnis erster Klasse

Das dicke, etwa ein Kilo schwere Buch versammelt Reportagen und sonstige Artikel, die Hunter S. Thompson für das gleichnamige Magazin geschrieben hat. Als Bettlektüre eignet es sich nicht, eher zur Dekoration auf dem Kaffeetisch. Von Joachim Feldmann

Allerdings ist es auch zweifelhaft, ob es überhaupt zur Lektüre gedacht ist. Aber vielleicht gibt es ja tatsächlich hierzulande jemanden, der nur darauf brennt, sich einige hundert Seiten intimer Berichterstattung über den US-Präsidentschaftswahlkampf 1972 einzuverleiben. Für diejenigen, die sich nicht mehr erinnern oder schlicht zu jung sind: Gegenüber standen sich der amtierende Präsident Richard „Tricky Dickie“ Nixon und sein Herausforderer George McGovern von den Demokraten. Nixon gewann die Wahlen und durfte weiterregieren, bis ihn der Watergate-Skandal das Amt kostete. Wer irgendwie liberal, fortschrittlich oder sogar links dachte, stand natürlich auf der Seite McGoverns, der übrigens, von der sogenannten politischen Öffentlichkeit fast vergessen, am 21. November dieses Jahres im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Nixon dagegen wurde als reaktionärer Gottseibeiuns gehandelt, was er ja wahrscheinlich auch war, obwohl er im direkten Vergleich mit Bush Junior noch immer ganz gut abschneiden würde. Aber genug davon.

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Hunter S. Thompson, 1988

Das dicke Buch, von dem hier die Rede sein soll, heißt „Die Rolling Stone Jahre“ und versammelt Reportagen und sonstige Artikel, die Hunter S. Thompson (1937–2005) für das gleichnamige Magazin geschrieben hat. Außerdem bekommen wir Kostproben des Briefwechsels zwischen dem legendären Journalisten und Rolling-Stone-Gründer Jann Wenner zu lesen. Doch richtige Freude wollte mir der opulente Band nicht bereiten, obwohl ich mich immer noch gerne an meine inzwischen drei Jahrzehnte zurückliegende Lektüre von Thompsons bewusstseinserweiternder Reiseerzählung „Fear and Loathing in Las Vegas“ erinnere. Damals fand ich jegliche Form des Aufbegehrens gegen das Establishment irgendwie gut, vor allem wenn davon auf lustige Weise berichtet wurde. Heute kommt mir zumindest Thompsons Liebe zu schwerkalibrigen Handfeuerwaffen ein wenig seltsam vor. Aber das ist nicht ganz so wichtig. Entscheidend scheint mir, dass der subjektive, wild wuchernde Stil dieser Reportagen eben alles andere als zeitlos ist, was man der gelegentlich recht hölzern daherkommenden deutschen Übersetzung besonders anmerkt. Und was den Inhalt betrifft – das hatten wir schon.

Vor uns liegt also ein Begräbnis erster Klasse. Wer seinen persönlichen Thompson-Kult weiterpflegen will, kann das Buch dekorativ auf dem Kaffeetisch platzieren und vielleicht gelegentlich ein Stückchen lesen. Ich empfehle für diesen Zweck „Der letzte Tango in Las Vegas: Angst und Schrecken im Nebenzimmer und im entfernten Raum“ aus dem Jahre 1978 über den Boxkampf zwischen Muhammed Ali und Leon Spinks. Wer allerdings einen richtig guten Text von Hunter S. Thompson kennenlernen will, beschaffe sich seine große Reportage „Hell’s Angels. A Strange & Terrible Saga“ (1967). Und dies nicht, weil die Rockertruppe so ein verdammt interessanter Haufen wäre, sondern weil es Thompson in diesem Musterbeispiel journalistischer Selbstkritik gelingt, die noch heute gültigen Spielregeln medialer Manipulation aufzudecken.

Joachim Feldmann

Hunter S. Thompson: Die Rolling Stone Jahre (Fear and Loathing at Rolling Stone, 2011). Herausgegeben und mit einem Vorwort von Jann S. Wenner. Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner, Christoph Hahn und Wolfgang Farkas. München: Heyne Verlag 2012. 768 Seiten. 24,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Foto Hunter S. Thompson: MDCarchives; bearbeitet von Beyond My Ken

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