Geschrieben am 11. Juli 2005 von für Bücher, Crimemag

J.J.Saer: Ermittlungen / G. Martinez: Die Pythagoras-Morde

Argentinische Feinkost

Spannende literarische Feinkost bieten die hierzulande noch unbekannten argentinischen Autoren Juan José Saer und Guillermo Martinez und führen dabei in die Tiefen von Wahrheit, Wirklichkeit und Logik.

Ein unheimlicher Serienmord an alten schutzlosen Frauen in Paris ist der rote Faden in Juan José Saers Roman „Ermittlungen“. Der Täter hinterlässt dabei ein schier unbeschreibliches „Schlachtfeld der Auslöschung und Extravaganz“, doch keinerlei für den mit unermüdlicher Leidenschaft ermittelnden Kommissar Morvan verwertbare Spuren. Doch eine „obszöne Geometrie des Verbrechens“ führt immer näher an die Sonderdienststelle heran und der Täter scheint aus ihrem Innersten zu kommen.

Juan José Saer, der in seinem Heimatland in einem Atemzug mit Jorge Luis Borges und Julio Cortázar genannt wird, lässt seine Geschichte von dem Literaten Pichon bei einem Abendessen mit Freunden erzählen. Die flirrende Prosa des 1937 in Argentinien geborenen und heute in Paris lebenden Schriftstellers ist dabei von mäandernden Ausschweifungen, Abzweigungen und philosophischen Betrachtungen durchzogen, die dem Geschehen ein Hauch von Surrealität verleiht. Letztlich geht es in den „Ermittlungen“ weniger um die – dennoch hochspannende – Aufklärung des Falles, als vielmehr um das unauflösbare Verhältnis von Wahrheit und Fiktion.

Logik des Verbrechens

Unzulängliche Wahrheitsbeweise stehen auch im Mittelpunkt des Debüts von Guillermo Martinez: Ein argentinischer Mathematikstudent tritt ein Stipendium an der Universität von Oxford an und wird unmittelbarer Zeuge einer Reihe von Verbrechen, die einer mit Symbolen verschlüsselten Logik zu gehorchen scheinen. Zusammen mit dem berühmten Wissenschaftler Seldom, der sich in seinen Forschungen mit der „Logik des Verbrechens“ und der dahinter steckenden „Ästhetik des Denkens“ beschäftigt, versucht der Ich-Erzähler die Serie zu entschlüsseln und ihren Fortgang zu verhindern. Doch in Analogie zu Gödels „Unvollständigkeitssatz“ und Wittgensteins „Paradox des Regelfolgens“ muss er schließlich erkennen: „Aber die Lösung gibt es eben nicht… Das war es ja, woran man zuweilen am meisten verzweifeln konnte.“

Der junge und promovierte Mathematiker Guillermo Martinez hat mit „Die Pythagoras-Morde“ einen atmosphärisch dichten und bis auf das ein wenig konstruiert wirkende Ende fast perfekt komponierten Kriminalroman mit philosophischem Tiefgang vorgelegt. Schon jetzt darf man sich daher auf seinen nächsten Coup freuen.

Karsten Herrmann

Juan José Saer: Ermittlungen. Aus d. Spanischen von Hanna Grzimek. DuMont, 2005. Gebunden, 191 S., EUR 19,90.
ISBN 3832179062.