Geschrieben am 21. Februar 2004 von für Bücher

Jakob Arjouni: Kismet

Comeback einer schnoddrigen Kultfigur

Kemal Kayankaya is back! Seit dem durchschlagenden und von Dorris Dörrie verfilmten Debut „Happy Birthday, Türke“ genießt Jakob Arjounis eigenwilliger Frankfurter Detektiv unter den deutschen Krimi-Freunden unbestrittenen Kultstatus.

Ein ganzes Jahrzehnt mussten sie jetzt nach dem mit dem Deutschen Krimipreis“ ausgezeichneten Ein Mann, ein Mord“ auf den neuen und damit vierten Fall für Kayankaya warten.

Mit Vollgas und deftigen Slapstick-Elementen steigt Jakob Arjouni in seinen neuen Roman Kismet“ ein: Kayankaya und sein alter Spezi Slibulsky hocken im Geschirrschrank des Lokals Sausade“ und warten auf zwei Schutzgelderpresser. Nach einer durch Slibulskys Handkäs mit Musik“-Verzehr etwas unangenehmen Wartezeit wird es wirklich Ernst und zwei weißgepuderte Mafiosi betreten schweigend, mit Zetteln in der Hand, das Sausade“. Das Ganze endet in einem fürchterlichen Blutbad und mit einem grotesk überzeichneten Leichen-Entsorgungsproblem, das Quentin Tarantinos Pulp Fiction“ alle Ehre gemacht hätte – und damit jenseits von jeglicher Political Correctness ist.

Jakob Arjouni provoziert mit solchen schnoddrig-sarkastischen Szenen immer wieder ein Lachen, an dessen Spitze noch das eigentliche Grauen nachklingt und einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Allzu leicht gehen dabei auch die für den mittlerweile 35jährigen Autor so typischen leisen und mahnenden Zwischentöne verloren – denn das zentrale Thema von Kismet“ ist der Yugoslawienkrieg, der hier als eine entsetzliche und exemplarische Metapher für den alltäglichen Rassismus in seinen vielen Facetten dient. Dieser kann bestialisch-blutige Formen wie zwischen Kroaten, Serben und Bosniern annehmen, sich hinter der Fassade eines deutschen Gemüsehändlers verstecken und in umgekehrter Form als übersteigerte Liebe zu fremden Kulturen auftauchen. Er kann sich aber auch in einer wunderbaren Negativ-Hommage des Frankfurter Privatdetektivs Kemal Kayankaya auf Offenbach, der kleinen, dürren, pickligen, ihre Leben lang Zahnspange tragenden Schwester“ der schillernden Mainmetropole äußern.

In Offenbach ermittelt Kayankaya in der Höhle des Löwen: im Adria“-Grill, auf dessen Getränkekarte ein Genscher-Sunrise“ lockt und in dem unter dem militaristisch-folkloristischen Bild des kroatischen Präsidenten so richtig fein hessisch gebabbelt und berlinert wird. Hier gibt’s für den Frachestellä“ mal wieder so richtig was auf die Mütze, was ihn aber natürlich nicht von den weiteren Ermittlungen abhält. Diese führen Kayankaya mitten in eine stabsmäßig geplante und skrupellose Machtübernahme auf dem Frankfurter Kiez und lassen ihn nebenbei an der holden Blume der Liebe schnüffeln – bis der Traum platzt.

Jakob Arjouni ist mit Kismet“ nicht unbedingt ein überragendes Krimi-Comeback gelungen – doch die Wiedersehensfreude mit dem sympathischen Kemal Kayankaya lässt über so manche sorglose Stil-Schwächen und einen doch recht mäßigen Spannungsaufbau hinwegsehen. Kult bleibt halt Kult.

Karsten Herrmann

Jakob Arjouni: Kismet. Ein Kayankaya-Roman.
Taschenbuch: detebe Diogenes Taschenbücher 2002. 264 S. 8,90 Euro ISBN: 3-257-23336-1
Gebunden: Diogenes, 265 S., 18,90 DM. ISBN: 3-257-06263-X