Achterbahnfahrt mit Leerlauf
In den USA wird Jeffery Deaver schon seit Jahren als „Meister der Zeitbomben-Spannung“ gehandelt, der seine Plots gnadenlos mit überraschenden Wendungen und fulminantem Finale vorantreibt. Als Auftakt einer Reihe um seine junge Ermittlerin Rune ist jetzt auch der bereits 1989 entstandene Krimi „Manhattan Beat“ auf deutsch erschienen.
Wie von Deaver nicht anders zu erwarten, setzt „Manhattan Beat“ ungemein packend ein: Aus der Innenperspektive führt er in einem Hotelzimmer den schwer bewachten Kronzeugen Gittleman vor Augen, der sich zum ersten Mal seit Monaten „in Sicherheit“ fühlt. Doch er täuscht sich tödlich und schnell wird deutlich, dass Deavers Figuren, kaum sind sie dem Leser ein wenig ans Herz gewachsen, erbarmungslos ins Jenseits befördert werden.
Von St. Lous springt die Handlung nach New York über, wo das punkige Energiebündel Rune – „einseinundfünfzig, hundert Pfund“ – als Aushilfe in einer Videothek arbeitet. Als sie bei einem Kunden, mit dem sie sich angefreundet hat, ein Video abholen will, gerät sie mitten in einen Mordfall. Eine zentrale Rolle scheint dabei „Manhattan Beat“, ein nicht gerade epochemachender, aber dafür auf einer wahren Begebenheit fußender Polizeifilm aus dem Jahre 1947, zu spielen.
Rune, die zwischen Film- und Märchenwelt lebt, macht sich mit einer gehörigen Portion Naivität und Frechheit an die Ermittlungen. Für sie ist es ein aufregendes Abenteuer: „Lancelot auf der Suche nach dem heiligen Gral. Psyche nach ihrem geliebten Eros.“ Doch auf einer zweiten Ebene können wir zugleich beobachten, wie die ihren Job mit einem unbedingten Ethos – „Entweder jemand war tot oder nicht.“ – erledigenden Killer ihr als Zeugin auf die Spur kommen…
Nach einem starken Auftakt lässt Deaver seine Story in der Folge jedoch dahindümpeln und schweift weit in persönliche Liebes- und Leidesgeschichten seiner New Yorker Protagonistin ab. Ohne „suspense“ trägt sein mehr als schlichter Erzählstil kaum noch über die Seiten und auch in der Logik seines Plots beginnt es an einigen Stellen gewaltig zu krachen. Doch auf dem letzten Drittel läuft Deaver spannungstechnisch noch einmal zu großer Form auf und schickt Rune auf eine nervenzerreißende Achterbahnfahrt, die tödlich zu enden droht – und alles kommt anders als gedacht.
Karsten Herrmann
Jeffery Deaver: Manhattan Beat. Rotbuch, 321 S., 19,90 Euro. ISBN 3-434-53113-0