Geschrieben am 10. Oktober 2009 von für Bücher, Crimemag

Johan Theorin: Nebelsturm

Stochern im Nebel

Henrike Heiland hat ein Buch von Johan Theorin gelesen. Sie hat auch viel über das Buch gelesen. Beides ging schlecht zusammen. Deswegen hat sie ein paar Fragen – voilà:

Gut. Dieses Spukgeschichten-Krimi-Crossover ist nicht neu, aber wirkungsvoll und gerade gern gesehen. Also, gern geschrieben, weil gern gelesen. Johan Theorin macht es auch. Nebelsturm ist der zweite Krimi in einer Vier-Jahreszeiten-Reihe, die auf der schwedischen Insel Öland spielt. Eigentlich verwebt er Krimigeschichte und Geisterelemente ganz gut. Eigentlich. Wären da nicht viel zu viele Seiten und Kapitel und Passagen, die verhindern, dass die Geschichte in Schwung kommt. Für fast 450 Seiten ist das, was hier erzählt werden soll, viel zu dünn. Statt noch mehr über das Buch zu schreiben, hat die Rezensentin zwei, drei Fragen. Die stellt sie auch gleich mal.

Liebe schwedische Krimiakademie,

echt jetzt? Bester Kriminalroman des Jahres? Ihr hattet 2008 keinen besseren schwedischen Krimi zur Auswahl als den hier? Nebelsturm, wenn ich das mal kurz zusammenfassen darf, ist langatmig und auf weite Strecken unspannend. Man schaut den Figuren seitenlang bei zähem, alltäglichem Krimskrams zu (der nicht mal zur Charakterisierung beiträgt) und muss sterbenslangweilige Dialoge ertragen (die nicht mal zur Charakterisierung beitragen), bis die Handlung irgendwann auf den letzten – sind wir mal großzügig – hundert Seiten ein bisschen Schwung bekommt. Dann noch diese etwas schwächlichen Geisterelemente. Und von wegen Familiendrama. Was erfährt man denn schon über die Familie? Ein bisschen was hier, ein bisschen was da, aber Tiefe, also: Tiefe!, die bleibt komplett auf der Strecke. Ja, okay, gegen Ende. Aber eben erst gegen Ende häuft sich einiges an. Das Ende fand ich gut gelöst. Aber vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil man mich von dem Buch erlöste. Und einiges kommt schon so ein bisschen schwupp aus der Kiste.

Das ist also das Beste, was Ihr im letzten Jahr hattet? Dürfen sich die nichtschwedischen Autoren denn ab sofort über einen Rücklauf der Schwedenwelle freuen?

Lieber Rezensent, liebe Rezensentin vom Svenska Dagbladet,

soso, Passagen aus Nebelsturm gehören also zum Unheimlichsten, was Sie je gelesen haben. Lesen Sie eigentlich viele Krimis? Auch mal die ein oder andere Gothic Novel? Wenn nicht, fangen Sie klein an. Lesen Sie Ann Radcliffe. Lassen Sie sich bloß nichts Härteres aufquatschen, ja? Sie sollen ja noch schlafen können.

Lieber Piper-Verlag,

ich versteh das nicht. Sämtliche Kurzinhalte, die ich irgendwo aufgestöbert habe, waren – unter uns – irreführend. Kann es vielleicht sein, dass der Plot nicht so dolle viel Spannung hergibt für einen packenden, verkaufsfördernden Krimikurzinhalt?

Und die Frage, warum Theorins Jahreszeiten-Reihe, von denen Nebelsturm das zweite ist, in den neunziger Jahren spielt, hat mir immer noch keiner beantwortet. Also, der Gerechtigkeit halber, Sie haben mir die Frage beantwortet und gesagt, neinnein, das Buch spielt im Heute. Aber wenn Tschernobyl erst 10 Jahre her ist? Und wenn ein Mann, der 1915 geboren wurde, erst kürzlich seinen 80. Geburtstag gefeiert hat? Rein rechnerisch lande ich so oder so in den Neunzigern. Vielleicht bin ich auch einfach nur kleinlich. Es hätte mich eben interessiert.

Liebe Leser,

die meisten von Ihnen, die sich im Netz schon über das Buch ausgebreitet haben, waren begeistert. Ärgern Sie sich nicht über mich. Ich habe wochenlang mit dem Buch gekämpft. Ich fand es zäh und langweilig und weder düster noch spannend. Ich bin dauernd darüber eingeschlafen, auch tagsüber. Ich fand es ein lästiges Buch, es nahm irgendwie ständig Platz in meiner Tasche weg oder lag im Weg rum, und ich habe mich geärgert, dass ich es mir für eine Rezension rausgesucht hatte. Nebelsturm und ich, wir sind keine Freunde geworden. Kann ja mal passieren. Liegt selbstverständlich nur an mir. Aber was mich wirklich interessiert: Fanden Sie das Buch echt so richtig, ähm, spannend?

Henrike Heiland

Johan Theorin: Nebelsturm (Nattfåk, 2008).
Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps.
München, Zürich: Piper 2009. 446 Seiten. 19,95 Euro.