Wenn schon road, dann bitte movie !
Halten Sie ein Buch, das fast komplett auf der Autobahn spielt, für eine gute Idee? Ich auch nicht. Johannes W. Betz hat es trotzdem geschrieben und ist damit voll gegen die Planke gefahren. Ungebremst von seiner Routine als Autor von Fernsehserien („Die Cleveren“) und -filmen („Doppeltes Dreieck“). Dabei sollte man doch erwarten, dass so einer wenigsten weiß, wie man eine spannende Geschichte baut, wenn’s schon mit der Sprache hapert.
Storyline: Alles wie im richtigen Fernsehen
Besser Sie schnallen sich an, denn die Story ist holprig: Der antriebsarme Twen Karl Lüttger (vor zehn Jahren und in einem cooleren Kontext hätte man Slacker gesagt) wohnt bei Mama und Papa im Einfamilienhaus, und sein einziger Traum ist es, die Telefonsex-Mädchen aus dem Nachtprogramm in real life zu bumsen. Diese bürgerliche Idylle zerplatzt, als Karl von Papi zu seinem 22. Geburtstag Geld für ein Auto geschenkt bekommt. Der Gebrauchtwagendealer, bei dem er sich seinen ersten eigenen Wagen aussuchen darf, ist nämlich eigentlich Drogenhändler und hat die letzte Lieferung ausgerechnet in dem feuerroten Mazda deponiert, mit dem Karl vom Hof fährt. Und was macht Karl auf seiner Jungfernfahrt? Klar, er nimmt eine bildhübsche Anhalterin an Bord. Dass die sich als Bankräuberin auf der Flucht entpuppt, ist nun wirklich nicht seine Schuld. Ab da beginnen die Zufälle, und auf der folgenden Doppelflucht vor Polizei und skrupellosen Killern ist bald alles wie im richtigen Fernsehen: Jede Menge groteske Ungereimtheiten, Anschlussfehler, Schießereien und Massenkarambolagen.
„Kino im Kopf“ ist etwas anderes
„Ein Breitwanderlebnis im Kopf des Lesers“ heißt es vollmundig im Klappentext: „Die literarischen Special Effects stehen denen des Kinos in nichts nach.“ Aber Kino im Kopf ist etwas anderes: professionelle Schnitte, konkrete, suggestive Bilder, die den Leser in die Textwelt hineinsaugen, oder wenigstens in die Geschichte. Kino im Kopf bedeutet nicht, ein unglaubwürdiges Treatment in Romanlänge auszuformulieren. Betz Buch wirkt, als würde einem jemand mühsam einen schlechten Film erzählen und dabei auch noch jede Szene umständlich erklären. Die Charaktere sind blass und schlecht motiviert, die Erzählhaltung ist inkonsequent und die Handlungsführung ärgerlich. Die „literarischen Special Effects“ – was immer das überhaupt sein soll – bedeuten in diesem Fall vor allem eins: ohne Ende Leichen. Da fliegen Autos über Autobahnabhänge in Anwohnerschlafzimmer, da springen Selbstmörder von Überführungsbrücken, da werden Menschen überfahren, erschossen und zerfetzt, da sterben im Prinzip alle bis auf Klappstuhl Karl, dem man den Tod eigentlich am meisten wünscht. Ach, hätte Herr Betz doch lieber ein weiteres belangloses Drehbuch fürs Fernsehen geschrieben. Irgendwas zwischen „Cobra – Die Autobahnpolizei“ und dem Sat1-Movie-Film-Film. Da hätte man die süße Muriel Baumeister als kaputte Bankräuberin mal gegen den Strich besetzen können, für die inkompetenten Bullen hättens die üblichen Verdächtigen getan, und die Hauptfigur, den hilflosen, spracharmen Karl, hätte der Autor wohl am überzeugendsten selbst gespielt.
Jan Karsten
Johannes W. Betz: Bundesautobahn. Rowohlt-Taschenbuch 2003. Originalausgabe. 409 Seiten. 12,00 Euro.ISBN: 3499236060