Geschrieben am 15. September 2012 von für Bücher, Crimemag

Jonas Hartmann: Südstern

Nicht unbedingt …

Kriminalromane müssen schließlich irgendwo spielen. Berlin ist – zumindest dem Klischee nach – eine sexy Location. Also werden Berlin-Thriller feilgeboten. Die Berlinerin Nele Hoffmann hat sich so ein Teil angeschaut:

Sie funktioniert immer wieder, die Regionalkrimi-Falle: ein Titel, der ein bekanntes Setting verspricht, hier „Tatort Berlin“, ein Autor, der ein Kind dieser Stadt ist. Schreibt der über mein Berlin? Was interessiert den am Südstern, wie beschreibt er den Hermannplatz? Schon hat man ein Buch bestellt und sich dazu verpflichtet, es auch zu rezensieren.

Jonas Hartmann, Schauspieler und Drehbuch-Autor, Jahrgang 1975, legt mit „Südstern“ seinen ersten Roman vor. Die Geschichte, die Hartmann spinnt, ist einigermaßen absurd: Zwei Polizisten in der Probezeit, Erkan und Paul, geraten zufällig zwischen die Fronten von BKA und LKA Frankfurt, es geht um ein Drogennetzwerk, das sich anschickt, den europäischen Markt zu übernehmen. Beide Behörden haben verdeckte Ermittler in das Netzwerk eingeschleust, einer von ihnen wird inmitten eines überfüllten Asia-Imbisses am Hermannplatz erschossen. Die beiden jungen Polizisten mischen sich ein, agieren auf eigene Faust und decken schließlich ein Riesen-Komplott auf. Drogen- und Alkoholkonsum im Dienst sind allgegenwärtig, die bösen Bullen sind hinterhältig, die guten Bullen sind auch nicht sauber, aber trotzdem integer, irgendwie.

Das Ganze ist eine Mischung aus action thriller und verschriftlichem buddy-movie, also ein riskantes Unternehmen, weil beides echte Könnerschaft voraussetzt. Hartmann gelingen einige gute Szenen und Dialoge, die in den Längen der Detailbeschreibungen leider manchmal untergehen. Auch der Vielzahl der Figuren wird man Herr, nicht weil die ganzen Neben-Polizisten und -Gangster so brillant gezeichnet wären, sondern eher durch das Personenverzeichnis, das dem Text nachgestellt ist.

Am stringentesten ist Hartmann in der Erzählung von Beziehungskisten. Der emotional labile Paul vergöttert Erkans Bruder Murat, der ihn als Ersatzbruder annimmt, nachdem Pauls Vaters verstorben und nachdem seine Mutter wohl lebenslänglich in die Psychiatrie geraten ist. Murat hat wenig Bock auf familiäre Verpflichtungen und kokst gerne. Während Paul sich in seine nicht autorisierten Vermittlungen verrennt, geht außerdem die Beziehung zu seiner Freundin Nina in die Brüche, und zu allem Überfluss verlieben sich Nina und Erkan. Da Erkan einer von der Fraktion „nicht sauber, aber trotzdem integer“ ist, hadert er lange, bis er sich seine Liebe eingesteht, und da er während des finalen Showdowns verletzt wird, muss auch der gehörnte Paul ihm wieder gut sein.

Im Großen und Ganzen: kann man lesen (vor allem für virtuose Querleser geeignet, die elegant und routiniert die eine oder andere Länge überblättern), muss man aber auch nicht unbedingt.

P.S.: Warum eigentlich Regionalkrimi und nicht Großstadt-Krimi? Weil’s nicht nur auf den Gegenstand (die Stadt Berlin und die ganzen literarischen chiefs, die sie schon besungen haben) ankommt, sondern darauf, was man draus macht oder was man darin sieht. Bekanntlich neigen wir Berliner ja zur Kiezhockerei, und da wären wir wieder beim Regionalkrimi.

Nele Hoffmann

Jonas Hartmann: Südstern. Kriminalroman. München: Heyne 2012. 384 Seiten. 12,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. A Taste for Crime von Nele Hoffmann.

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