Geschrieben am 13. März 2013 von für Bücher, Litmag

Kathrin Passig und Sascha Lobo: Internet – Segen oder Fluch

PassigLobo_Internet_HK.inddEntspannte Angelegenheit

– Um es sofort vorwegzunehmen, „Internet: Segen oder Fluch“ (man beachte das fehlende Fragezeichen im Titel) von Kathrin Passig und Sascha Lobo ist ein wunderbar entspanntes Buch, weil es genau die Erwartungen, die man, sofern man über die Autoren einigermaßen Bescheid weiß, an das Buch und seine Schlussfolgerungen haben könnte, überhaupt nicht erfüllt. Aber Vorsicht: Auch das Gegenteil ist nicht der Fall. Von Anne Schüßler.

Vielmehr wagt sich das Autorenduo daran, das Internet zu erklären, mit Missverständnissen aufzuräumen und die vielen Probleme, die sich darum ranken, in einen Gesamtkontext zu stellen. Das ist hilfreich und schön, vor allem aber funktioniert es überraschenderweise sehr gut.

Auf der einen Seite die Optimisten, auf der anderen die Skeptiker, es wird gejubelt und kritisiert und meistens sind die Gemüter dabei erhitzt, denn es geht um alles oder nichts, um Freiheit oder Überwachung, um die Welt in der Hosentasche oder gelernte Dummheit. Dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt und es vielleicht doch nicht immer ganz so einfach ist, ist zwar eigentlich offensichtlich, aber manchmal muss man eben doch mit der Nase drauf gestoßen werden oder wie es im Buch heißt:

„Irreführende Metaphern und falsche Hoffnungen auf einfache Lösungen haben den Vorteil, dass sie sich durch Nachdenken beheben lassen (manchmal).“

Eigentlich lohnt sich die Anschaffung dieses Buches schon wegen der mitgelieferten „Bedienungsanleitung für Metaphern und Narrative“ und den „hundert verschrobensten Internet-Vergleichen“, denn schon hier wird klar, dass es in diesem Buch gar nicht um das Internet geht, sondern vielmehr um das, was passiert, wenn etwas revolutionär Neues im Alltag Einzug erhält, das alles bisher Dagewesene in Frage stellt. In dieser Geschichte der Medien ist das Internet gar nicht so viel anderes als der Buchdruck, das Radio und der Fernseher, mit dem einzigen Unterschied, dass es eben jetzt uns betrifft und nicht unsere Vorfahren (die sich vermutlich mit genau den gleichen Fragen auseinandersetzten, nur auf weniger Kanälen und nicht so rasant).

Fortschritt und digitale Disruption

In „Internet: Segen oder Fluch“ geht es um Fortschritt und um Disruption und darum, dass Veränderungen eben von Leuten, die davon profitieren, üblicherweise als angenehmer wahrgenommen werden als von Leuten, denen das Neue eher schadet. Es geht um Beschleunigung, um Informationsüberflutung und Filterversagen. Darum, dass es im Internet viel Nützliches, aber auch viel Nutzloses gibt, um Post-Privacy, Kollaboration, digitale Demokratie und noch vieles mehr.

Dabei bewahren die Autoren stets ihre Neutralität, versuchen zu vermitteln, statt zu überzeugen und zeigen, dass zwar das Internet neu ist, nicht aber die Debatten und Konflikte, die sich darum ranken, und dass es manchmal vielleicht gar keine Lösung gibt, aber dafür das Problem auch gar nicht so dramatisch ist.

Gleichzeitigkeit unvereinbarer Dinge

Dass nach fast jedem Kapitel eine Reihe nicht so guter Argumente beleuchtet und entkräftet wird, ist das sprichwörtliche Sahnehäubchen, das dieses Buch eben zu dieser wahnsinnig entspannten Angelegenheit macht. Keine Belehrungen, kein „So ist das und so nicht“, keine Überzeugungsarbeit. Man könnte dem Buch maximal vorwerfen, dass es Offensichtlichkeiten beschreibt, aber genau darin liegt wohl seine Stärke. Das Problem an der Debatte für und wider das Internet ist demnach eben keine, die irgendwann zugunsten des einen oder anderen entschieden werden wird. Stattdessen wird es darum gehen, selber Vor- und Nachteile abzuwägen und letztendlich, wie die Autoren es formulieren, um die menschliche Fähigkeit an mehrere unvereinbare Dinge gleichzeitig zu glauben“.

Ob als Optimist, als Skeptiker oder (der wahrscheinlichste Fall) irgendwas dazwischen, die Chancen stehen gut, dass man dieses Buch zuklappt und mit einer gewissen Irritation feststellt, dass man jetzt zwar viel gelernt hat, aber dennoch weniger als zuvor weiß, was man von diesem Internet, seinen Ausprägungen, Auswirkungen, Seiteneffekten und Konsequenzen zu halten hat.

Die Frage „Segen oder Fluch?“ stellt sich dann gar nicht mehr und es war ja auch nie eine Frage. Es war immer schon ein bisschen von beidem.

Anne Schüßler

Kathrin Passig und Sascha Lobo: Internet – Segen oder Fluch. Rowohlt Verlag 2012. 320 Seiten. Buch inklusive e-Book. 19,99 Euro. Zum Blog von Anne Schüßler.

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