Wiederentdeckt
– Joachim Feldmann hat ein Buch gefunden, von dem er kaum noch wusste, dass er es schon einmal gelesen hatte. Er hat es wieder getan. Zum Glück:
Gewaltverbrechen sind rar in Hillston. Zumindest in der Oberschicht, die in der kleinen Stadt in North Carolina schon seit Menschengedenken den Ton angibt. In diesen Kreisen bringt man sich höchstens selbst um, wie Detective Justin Savile weiß. Der Polizist kennt sich aus, schließlich stammt er selbst aus einer der einflussreichsten Familien der Stadt. Dass er es nicht zum Senator oder zumindest zum Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei gebracht hat, lastet schwer auf seinen Angehörigen. Doch zumindest Loyalität sollte man von ihm erwarten können. Aber eben daran lässt es Savile fehlen, als seine Tante Cloris Dollard ermordet wird. Anstatt einen Verdächtigen aus einer notorischen Kleinkriminellensippe festzunageln, gräbt er in der Familiengeschichte und befördert dabei allerlei unschöne Dinge ans Tageslicht. Unterstützt wird er von seinem Freund und Kollegen Cuddy Mangum, dem die Herkunft aus dem lokalen Lumpenproletariat weit weniger peinlich ist als Savile sein quasi-aristokratischer Stammbaum. Und weil Mangum nicht auf den Mund gefallen ist, lässt er keine Gelegenheit zu einer kleinen Stichelei aus.

© Marion Etlinger
Michael Malone
Erfunden hat das ungleiche Paar der 1942 geborene amerikanische Schriftsteller Michael Malone, dessen Werk sich nicht auf die Kriminalliteratur beschränkt, das Spektrum reicht von der Fernsehserie bis zum Abenteuerroman. „Uncivil Seasons“, der erste Fall für Savile und Mangum, erschien 1983, zwei weitere folgten 1989 und 2001. Dieses Wissen habe ich dem Verlag Kein und Aber zu verdanken, der Malones Fliegerroman „Die vier Ecken des Himmels“ („The Four Corners of the Sky“, 2009) offenbar so gut verkauft hat, dass er sich nun auch den Krimis des Autors widmet. Ich wäre allerdings kaum darauf gekommen, dass ich das nun als schmuckes Hardcover unter dem anheimelnd-schaurigen Titel „Ein Winternachtsmord“ vorliegende Buch bereits kenne, wäre ich nicht zufällig beim Stöbern im Regal auf eine vergilbte Paperbackausgabe von „Uncivil Sesaons“ gestoßen. Nur vage konnte ich mich an die immerhin mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegende Lektüre erinnern, also las ich das Buch einfach noch einmal und das mit größtem Vergnügen. Der Plot ist angenehm verschlungen, Malone lässt Savile wunderbar lakonisch erzählen, und die Dialoge haben Witz. Die Übersetzer, Claudia und Michael Bodmer, haben sich redlich Mühe gegeben, all das in ein angemessenes Deutsch zu bringen. Wer des Englischen kundig ist, sollte sich dennoch für die Originalfassung entscheiden, auch wenn die amerikanische Taschenbuchausgabe nicht ganz so schön ist.
Ich habe mir bereits die beiden Folgebände besorgt. Im zweiten, „Time’s Witness“, lässt Malone Cuddy Mangum erzählen: „Cuddy’s ‚Time’s Witness’ ist mein ‚Huckleberry Finn’ so wie Justin in ‚Uncivil Seasons’ meinen ‚Tom Sawyer’ gibt“, kommentierte der Autor diesen Wechsel in einem lesenswerten Interview. Im selben Gespräch (aus dem Jahre 2002) verspricht Michael Malone übrigens weitere Abenteuer mit Justin Savile und Cuddy Mangum. Man sollte ihn bei Gelegenheit daran erinnern.
Joachim Feldmann
Michael Malone: Ein Winternachtsmord. Kriminalroman. (Uncivil Seasons, 1983). Aus dem Amerikanischen von Claudia und Michael Bodmer. Zürich: Kein und Aber 2011. 478 Seiten. 19,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch
Am Erker