Geschrieben am 5. Oktober 2011 von für Bücher, Litmag

Leif Randt: Schimmernder Dunst über Coby County

Sowohl Dirk Knipphals in der taz, als auch Richard Kämmerlings in der Welt vermissen Leif Randts Roman „Schimmernder Dunst über Coby County“ zumindest auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. Felix Scheer vermisst ihn auch, kann sich aber nicht exakt erinnern, warum.

Spiralen zum Thema Fortpflanzung ab 40

Wim Endersson hat „Neues Internationales Literaturmarketing“ studiert, sein bester Freund Wesley „Kunstgeschichte seit 1995“ und seine Freundin Carla hat sehr schöne Haut. Sie leben in der fiktiven Stadt Coby County, die ein multikulturelles Schweden, die Côte d’Azur, einen beliebigen, coolen Großstadtkiez und ein Mehrgenerationen-Haus in sich vereint. „Ich gehe irgendwie davon aus , dass es in CobyCounty ausschließlich Büros gibt, die von Licht durchflutet werden, sage ich zu Wesley, der mir heute etwas verschwiegen scheint und Wesley sagt: „Ja. Davon gehe ich auch aus.“ Weil alles so toll ist, kommt Wim, der immer alles reflektiert und immer kontrolliert bleibt, der Gedanke an Veränderung, die natürlich ausbleibt.

Es ist ziemlich schwer, in Leif Randts Roman hässliche Wörter oder hässliche Sätze zu finden. Ein hässliches Wort ist in diesem Fall nicht hässlich, weil es inhaltlich negativ assoziiert wird, wie zum Beispiel Regen oder Tumor. Stattdessen entsteht es durch eine ästhetisch ungünstige Zusammensetzung der Buchstaben, was womöglich mit dem goldenen Schnitt zu tun hat. Natürlich kommt auch Leif Randt nicht um die Benutzung einiger zwangsläufig hässlicher Füllwörter herum. Trotzdem sind seine Haupt- und erst recht seine Nebensätze derart geschickt gesetzt, dass nicht mehr auffällt, was den Leser bei einem weniger fein gearbeiteten Text vielleicht stutzen ließe. Lustigerweise stellt Randts durch und durch schöne Prosa so den Gegenentwurf zu den Texten der Teenagerautoren dar, die sein Protagonist als Literaturagent vertritt und „denen ihr Schul- und Ferienalltag wie ein irrer existenzieller Rausch vorzukommen scheint“, worunter man sich eventuell kurze Was-Wort überladene Sprengsätze vorstellen kann. Tatsächlich kann man sich auch etwas ganz anderes darunter vorstellen.

Es scheint naheliegend, „Coby County“ als Wohlstandsparodie zu lesen, und weniger naheliegend, aber nachvollziehbar den epochalen Generationenroman in ihm sehen zu wollen. Sehr viele andere sinnstiftende Interpretationen sind denkbar, was unter anderem daran liegen mag, dass Randts Prosa und die kleinen Informationseinheiten, die er dem Leser vorgibt, derart wohltemperiert und vage sind, dass man sich unwillkürlich fragt, ob er nicht auch eine vollkommen andere Geschichte hätte erzählen können. „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ ist also eine beeindruckend ausgeführte Stilübung, nicht unähnlich einer Klavieretüde zur Ausbildung besonderer Fingerfertigkeit als Vorbereitung eines sehr romantischen Stückes, bei dem die erlernte Technik nur an einer Stelle, aber dort perfekt eingesetzt werden muss. Im besten Fall bemerkt das Publikum die kunsthandwerkliche Leistung kaum und ist einfach nur berührt. Leif Randt lässt dagegen Beliebigkeit und Ambivalenz entstehen, sodass jede großartige Ausdeutung schnell wieder zerstäubt. Schlecht ist das nicht.

Felix Scheer

Leif Randt: Schimmernder Dunst über Coby County. Roman. Berlin: Berlin Verlag 2011. 191 Seiten. 18,90 Euro. Zu Homepage und Verlag.