Geschrieben am 28. März 2004 von für Bücher

Louise Welsh: Dunkelkammer

Dunkelste Abgründe

Mit einem provozierenden, in die Abgründe Glasgows und der menschlichen Seele führenden Krimidebüt spielt sich Louise Welsh trotz einiger kleiner Durchhänger in die erste Liga der Spannungsliteratur.

Welshs Protagonist Rilke ist ohne Zweifel einer der exzentrischsten in der internationalen Detektiv- und Schnüffler-Szene: Ein hagerer, klappriger Typ in den Vierzigern, der von seinen Arbeitskollegen im Auktionshaus Bowery „Kadaver, Leiche, Tod auf zwei Beinen“ genannt wird und mit Anzug und Schlangenlederstiefeln durch die Straßen, Parks und Kneipen Glasgows streunt – immer zu einem Drink oder zu einem schnellen homosexuellen Abenteuer bereit.

Bestialischer Sexualmord

Als Auktionator bekommt Rilke den Auftrag, die Villa des reichen Mr. McKindless auszuräumen und den Nachlass zu versteigern. In einem geheimen Arbeitszimmer stößt er auf eine exquisite pornographische Bibliothek und auf verblichene Schwarz-Weiß-Fotos, die scheinbar einen lange zurückliegenden bestialischen Sexualmord zeigen. Rilke beschließt, der Geschichte auf den Grund zu gehen und der namenlosen Toten ein Gesicht zu geben. „Umgeben von allem Laster der Stadt, mit all den Grausamkeiten direkt vor der Nase“ beginnt er, seine Nase in eine erschütternde Vergangenheit zu stecken, die direkt in eine ebensolche Gegenwart führt.

Unterstützt durch Zitate von Autoren der schwarzen Romantik und Dekadenz wie Poe, Rimbaud oder Verlaine baut Louise Welsh in ihrem Debüt eine düstere und morbide Atmosphäre auf. Viel Raum gibt sie ihrem Protagonisten, der sich auf eine holprige Gratwanderung zwischen Job, ausschweifendem Privatleben und seinen alles andere als planvollen Ermittlungen begibt. So muss Rilke lange im Dunkeln stochern, bis eine dramatische Wende alles in ein neues Licht taucht.

Karsten Herrmann

Louise Welsh: Dunkelkammer. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Kunstmann 2004. 302 Seiten. 19,90 Euro. ISBN: 3-88897-348-1