Geschrieben am 16. März 2013 von für Bücher, Crimemag

Mark Zak: Glaube, Liebe, Mafia & Su Turhan: Kommissar Pascha

Besser blödeln mit MH?

Jetzt schlagen „Ausländer“ zurück: neue deutsche Comedy-Krimis mit russischen und türkischen Wurzeln. Ein paar Bemerkungen von Ulrich Noller.

glaube-liebe-mafia-36948-1Nach dem Kayankaya-Prinzip: Mark Zaks Debütroman „Glaube, Liebe, Mafia“

Er heißt Bondar, Josif Bondar. Schon klar, ne „kleine“ Reminiszenz an: Bond, James Bond. Ach ne, oder? Kann ja nix sein, denkt man, ein auf lustig getrimmter Kriminalroman, der schon so daherkommt, mit so einer superplatten Überdrehtheit halt, die für den Rest der Geschichte bloß das Allerschlimmste befürchten lässt …

Ist aber nicht so, das belegt die Lektüre von Mark Zaks Debütroman „Glaube, Liebe, Mafia“ ziemlich schnell: Dieser späte Debütant beherrscht sein Handwerk, er schafft es, Leichtigkeit und Tiefe, Witz und Dollerei, Komödie und Krimi so zu temperieren, dass man ihm gelegentliches Geblödel nicht groß ankreidet. Denn Mark Zak liefert mit seinem Roman zwar nichts Neues, aber er kann etwas, was wenige beherrschen: Er kann lustig.

Josif Bondar also, der Held von „Glaube, Liebe, Mafia“, arbeitet als Privatdetektiv in Köln-Mülheim, sein Büro findet sich in unmittelbarer Nähe zur Keupstraße. Außenbezirk von Istanbul, sozusagen. Als gebürtiger Russe ist der ehemalige KGB-Mitarbeiter dort allein unter Türken und sowieso am Rande von allem. Sein erster Fall führt trotzdem hinein ins Zentrum des bürgerlichen Lebens: Ein kleines Theater ist abgebrannt, ein Schauspieler, einziger Sohn eines stinkreichen Unternehmers, kam ums Leben. Ein alter Kumpel von Bondar aus Sowjetzeiten, jetzt Karrierist bei der Russenmafia, ist verwickelt. Bondar ermittelt, und wie es der Zufall bzw. die Dramaturgie so will, ist er bald selbst der am meisten Verdächtige. Etc. pp. …

Ein Krimi nach dem Kayankaya-Prinzip, nur ist Bondar halt eben Russe, äh: aus der ehemaligen UdSSR stammender Deutscher. Wie Mark Zak, sein Schöpfer, geboren 1959, den man als Schauspieler kennt. Rollenzuschreibung: in den Neunzigern bevorzugt Russenmafiamitarbeiter, mittlerweile „Ausländer“ allgemein, klasse Akzent, kann gleichermaßen als Marokkaner wie als Bulgare besetzt werden. Mit 15 kam Mark Zak über Israel nach Deutschland, durch die „Integrationsmaßnahme“ Theater-AG fand er Lust am Schauspielen, mit der Verbreitung der realen Russenmafia in der Gesellschaft in den Neunzigern kam seine Fernsehkarriere in Gang.

Und jetzt, mit Mitte 50, also sein Debütkrimi, „Glaube, Liebe, Mafia“, ein angenehm schmaler und luftiger Crime-Comedy-Roman, der in keinerlei Hinsicht gewichtig oder anspruchsvoll sein will, und der, wie gesagt, sicher nicht das Rad neu erfindet, aber eben durch seine Temperiertheit überzeugt – und in den Details richtig Spaß macht. Zum Beispiel wenn Bondars schräge Assistentin ins Spiel kommt, die wegen irgendeiner Psychostörung bevorzugt nackt im Büro herumturnt, was im Großraum Keupstraße notwendig für Probleme sorgen muss …

Letztlich, so kann man vermuten, ist auch für „Glaube, Liebe, Mafia“ die Integrationsmaßnahme Schauspiel-AG verantwortlich. Die Herkunft des Detektivs, der Fall im Schauspielmilieu und überhaupt der ganze Ton des Romans – kein Zweifel, dass Mark Zak die Rolle des Josif Bondar sich selbst auf den Leib geschrieben hat. Leseabende mit ihm werden garantiert lustig sein. Der Spaß, den Zak beim Schreiben hatte, überträgt sich jedenfalls: Der Erzähler nimmt Josif selbst und alle um den Detektiv herum bissig aufs Korn, lässt das Ganze aber doch so stark noch halbwegs „ernsthaften“ Krimi sein, dass der Witz nicht in dämlichen Klamauk ausartet. Crime-Comedy, so funktioniert es.

Mark Zak: Glaube, Liebe, Mafia. Ein Fall für Josif Bondar. Roman. Kön: KiWi 2013. 192 Seiten. 7,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

kommissar_pascha_ein_fall_fuer_zeki_demirbilekComedy-Krimi mit Mehrwert? Su Turhan: Kommissar Pascha. Sein erster Fall

Was man übrigens auch von Su Turhan und seinem Debütroman „Kommissar Pascha. Ein Fall für Zeki Demirbilek“ behaupten kann. Und dass, obwohl man auch hier anfangs, vielleicht sogar schon bei der Lektüre der Verlags-PR innerlich richtig zuckt: ein türkisch-stämmiger Kommissar, der „Pascha“ heißt, das auch noch ganz explizit im Titel, der dann auch noch ausgerechnet eine SoKo namens „Migra“ leitet … Wie soll das funktionieren, wie soll da was anderes als platte Pointenhuberei mit 1001-Nacht-Touch oder ein Pamphlet der politischen Korrektheit rauskommen? Geschweige denn ein richtiger Kriminalroman?

Na ja, der Autor ist Su Turhan. Und der ist, so zeigt sein Debütroman, ein kluger Kopf. Weil er es schafft, mit seiner Geschichte so ziemlich alle Erwartungen zu unterlaufen – und dann aus etwas eher Kleinem etwas ziemlich Großes entstehen zu lassen. „Mehr als ein Krimi“, hier bekommt diese blöde Phrase mal eine ungewohnte Bedeutung: „Kommissar Pascha“ ist ein (ganz okayer) Kriminalroman, aber eben tatsächlich auch mehr – ein Blick auf die Migrationsgesellschaft nämlich, wie man ihn so, in solcher Vielschichtigkeit und Detailiertheit, noch nicht gelesen hat, auch nicht von Migrantenkindern. Und das alles, nicht zu vergessen, auch noch richtig lustig …

Su Turhan, eigentlich: Süleymann Turhan, geboren 1961 in Istanbul, kam mit zwei Jahren nach Bayern, wuchs in der Provinz auf, studierte Literatur und Film in München, produzierte mehrere Kurzfilme sowie einen Spielfilm, arbeitet im Brotjob derzeit irgendwo in der Fernsehindustrie, ist zum Beispiel beschäftigt mit der Umsetzung von Kriminalromanen fürs TV. „Kommissar Pascha“ war eine Auftragsarbeit, Knaur suchte jemanden der für einen Taschenbuchkrimi einen türkischstämmigen Ermittler in München etablieren wollte und konnte.

Das Ergebnis: im Zentrum Zeki Demirbilek, Su Turhans Ermittler, der Leiter der SoKo „Migra“. Aber eben nicht nur er, sondern noch mindestens ein Dutzend Figuren mehr, die Istanbul lebende Exfrau zum Beispiel, die Münchner Exfreundin, die beiden Kinder, die verschiedenen ur-bayerischen Kollegen, die toughe, türkischstämmige Jungermittlerin aus Berlin, der traditionelle Fabrikant mit Dönerkarriere, seine so (beinahe) jungfräuliche wie partygeile Tochter und, und, und …

Su Turhan präsentiert eine erstaunliche Personenvielfalt, und jede dieser Figuren ist genau und sorgsam konturiert, da merkt man, dass er vom Film her denkt. Wobei dies nun an sich noch nicht viel wert wäre, wenn all die „Helden“ nicht zum Ensemble würden. Die beeindruckende Dynamik in diesem Reigen an Lebensentwürfen entsteht nun genau durch den Kniff, der am Anfang möglicherweise eher skeptisch stimmte: Die SoKo „Migra“ dient dem Zusammenspiel aller Facetten als Motor und Ordnungselement, an ihrem Wirken entlangerzählt, entsteht sowohl auf der Fallebene wie auch im Privaten ein Panorama multikulturellen Lebens, mit allen positiven, negativen und vor allem mit sämtlichen lustigen Seiten. Denn Su Turhan haut gut und gerne auf die Kacke, und zwar so, dass alle ihr Fett weg bekommen, die Bayern, die Deutschen, die Türken.

Klischees und Perspektiven

Bedenkt man nun, wie ungelenk, verkrampft und mitunter auch dumpf (Rita Falk!) die Spaßautoren der bajuwarischen Comedy-Krimis häufig mit dem Migrationsthema umgehen, stellt sich angesichts der Romane von Mark Zak und Su Turhan die Frage: Muss man Migrant sein, um treffend über „Ausländer“ witzeln zu können?

Die beiden Krimidebütanten mit MH haben natürlich einen Standortvorteil, sie können aus ihrer eigenen (Migrations-)Biografie schöpfen, sie sind mit den Facetten des Themas seit Jahrzehnten vertraut. Das ist allerdings kein Vorteil, den man nicht durch ein wenig Recherche (und Offenheit) egalisieren könnte. Entscheidend sind tatsächlich: Klischees und Perspektiven. Auch Mark Zak und Su Turhan arbeiten mit (zum Teil derben) Klischees, aber sie tun das halt aus der Mitte einer längst multipolaren Gesellschaft heraus und vor allem auf Basis einer Vielfalt an Perspektiven, statt sich auf den Blick des Etablierten aufs Exotische zu beschränken, der in einer komplexen, globalisierten Welt immer bloß der von gestern sein kann, egal ob witzig oder nicht.

Dass man kein Migrant sein muss, um über „Ausländer“ (und „Deutsche“) witzeln zu können, das zeigen übrigens schon die Kayankaya-Romane von Jakob Arjouni aus den Achtzigern, die eine Blaupause für den smarten Umgang mit diesem Thema hätten sein können – hätte die Genreliteratur dieses Kayankaya-Prinzip denn nun aufgegriffen, was erstaunlicherweise nicht nennenswert geschehen ist. Aber na ja, die Migranten kommen, vielleicht geht da ja jetzt mal was.

Fazit: Es geht um Personen, Differenziertheit und den Umgang mit Klischees

Ulrich Noller

Su Turhan: Kommissar Pascha. Ein Fall für Zeki Demirbilek. Roman. München: Knaur TB 2013. 352 Seiten. 8,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Ulrich Noller im Gespräch mit Su Turhan bei crimemag.

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