Geschrieben am 5. Dezember 2009 von für Bücher, Crimemag

Max Allan Collins: Der letzte Quarry

Profikiller mit Schlafstörungen

Lange war er weg, jetzt ist er wieder da. Quarry, der Killer aus der Werkstatt, besser vom Fließband von Max Allan Collins. Joachim Feldmann hat sich bestens amüsiert.

Quarry schläft schlecht. Und er langweilt sich. Seit sechs Monate arbeitet der frühere Profikiller als Manager einer Ferienanlage an einem See irgendwo in den Vereinigten Staaten. Quarry selbst sagt, es handle sich um den Sylvan Lake in Minnesota, fügt aber gleich hinzu, dass man seinen Angaben nicht trauen dürfe. Als ob wir Leser ihm die Polizei auf den Hals hetzen würden. Wir könnten ihm auch gar nichts nachweisen. Weder die vielen Morde, für die er von unbekannten Auftraggebern bezahlt wurde, noch den Umstand, dass er aus Rache „irgendwelche Politikerschweine, keine Mafiosi“ umgebracht hat, denen er die Schuld am Tod seiner Frau gibt. Als das passierte, hatte Quarry sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt.

Jetzt kümmert er sich um Touristen. Den Job hat ihm ein alter Kriegskamerad verschafft. Doch die Saison ist vorüber, es gibt kaum noch etwas zu tun. Quarry beginnt sich zu langweilen. Und, wie gesagt, er schläft schlecht.

Tampons für dicke Männer?

All das erfahren wir auf den ersten Seiten von Max Allan Collins Roman Der letzte Quarry, ein programmatischer Titel. Denn der Autor gönnt seinem merkwürdigen Helden ein Happy End. Aber davon später. Zunächst einmal muss etwas gegen die Schlafstörungen unternommen werden. Dafür braucht es einen schönen Zufall, und der ergibt sich beim nächtlichen Einkauf im Supermarkt, als Quarry seinen alten Bekannten Harry wiedersieht. Der erkennt ihn nicht, was auch gut so ist, schließlich stand das letzte Zusammentreffen der beiden unter keinem guten Stern. Harry ist bekanntermaßen schwul, weshalb Quarry sich fragt, für wen der dicke Mann wohl eine Packung Tampons erwirbt. Also folgt er ihm. Später in der Nacht ruhen Harry und sein Gefährte Louis im eiskalten See, während Quarry damit beschäftigt ist, das rotzfreche Kidnapping-Opfer der beiden ihrem reichen Daddy zurückzugeben. Natürlich nicht, ohne selbst ein entsprechendes Lösegeld zu kassieren. Schließlich mutiert ein Berufsverbrecher im Ruhestand nicht notwendigerweise zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft.

Oder etwa doch? Max Allan Collins, der den Profikiller bereits in den frühen 70er Jahren während eines universitären Schreibworkshops erfand, hat offenbar Vergnügen daran, seinen moralisch zweifelhaften Protagonisten mit der sittlichen Verkommenheit eines scheinbar ehrbaren Bürgers zu konfrontieren. Und, was noch entscheidender ist, mit den erotischen Reizen einer schönen Frau. Denn im Unterschied zu Richard Starks Parker, dem Prototyp des professionellen Gangsters als Krimiheld, dessen Libido auf Null herunterfährt, wenn er einen Job zu erledigen hat, wird Quarry schwach, kommt ein bestimmter Typ Frau ins Spiel. „Etwas Menschliches“, wie er bekennt, „das einen Vollidioten wie mich jedes Mal in die Klemme brachte.“ Den „Vollidioten“ darf man übrigens nicht zu wörtlich nehmen. Mögen seine Gegner auch brutal und skrupellos sein, Quarry ist ihnen über. Mike Hammer-mäßig knöpft sich den Oberschurken und seine Helfer ausgerechnet auf einem Friedhof vor. Und kriegt am Ende die Frau, die er liebt.

Happy End? Wie pervers …

Den „perversesten Abschluss“, den er sich für Quarry vorstellen könne, nennt der Autor in seinem Nachwort dieses Happy End. Recht hat er. Aber weil Max Allan Collins hier offenbar mit den Regeln des Genres spielt, hat auch das seine Ordnung. Ganz ernst nehmen darf man diesen rasanten Reißer, den er aus zwei älteren Kurzgeschichten zusammengebaut hat, nämlich nicht. Aber warum sollen gestandene Profis des Metiers sich nicht einmal einen, zugegeben blutigen, Scherz erlauben.

Joachim Feldmann

Max Allan Collins: Der letzte Quarry. (The Last Quarry, 2006).
Deutsch von Maike Stein.
Berlin: Rotbuch 2009 (Hard Case Crime). 187 Seiten. 9,90 Seiten.