Max Hardberger – Der „Dirty Harry“ der Handelsschifffahrt im Zeitalter der Globalisierung
– Piraten haben wieder Konjunktur, sie sind ein erklecklicher Wirtschaftsfaktor des global crime. Natürlich haben sie Widersacher. Susanna Mende hat sich mit einem dieser Leute beschäftigt.
Eine offizielle Berufsbezeichnung gibt es für die Arbeit, der der aus Louisiana stammende Amerikaner Max Hardberger seit den späten 80er Jahren nachgeht, nicht. Er selbst nennt sich Schiffsretter, doch wenn man sich die Rahmenbedingungen dieser Tätigkeit anschaut, kommen viele Rollen zusammen, die ein Schiffsretter spielen muss: Er ist ein Abenteurer, weil er es schon mal mit bewaffneten Gegnern zu tun bekommt, die, wenn sie Staatsvertreter sind, auch gleich eine potenzielle Gefängnisstrafe bedeuten. Er darf keine Scheu davor haben, sich im Graubereich zwischen Legalität und Illegalität zu bewegen, er muss autoritär sein können, wenn es darum geht, sich gegen eine Schiffsbesatzung und selbst einen Kapitän durchzusetzen. Er muss dazu in der Lage sein, selbst ein Schiff zu führen und dessen Zustand einschätzen zu können. Er muss sich mit Vertragsrecht und den juristischen Rahmenbedingungen auskennen.
Es ist ein Kampf von Schiffseigentümern gegen korrupte Staatsdiener wie zum Bespiel in Haiti und gegen kriminelle Makler oder Charterer, die von irgendeinem Punkt der Erde aus ihren Machenschaften „round the globe“ nachgehen können; und es geht jedes Mal gleich um hohe Summen, egal ob es um noch geschuldete Hafengebühren, einen Schaden am Kai oder die illegale Beschlagnahme eines Schiffes geht.
An diesem Punkt, wenn auf legalem Wege trotz betrügerischer Machenschaften nichts mehr geht, kommt Mr. Max zum Einsatz:
Die einzelnen Planstufen, einen Coup wie zum Beispiel in einer Nacht- und Nebelaktion die Entführung eines illegal beschlagnahmten Schiffes durchzuführen, entstehen dabei häufig erst mitten im Geschehen, was den Grad an Unvorhersehbarkeit und Risiko natürlich um ein Vielfaches erhöht. Wetterlage, das Funktionieren eines Motors oder die Reaktionsfähigkeit der Mannschaft an Bord bestimmen über Gelingen oder Scheitern einer solchen Aktion im selben Maße wie die Umsicht, Gerissenheit und Kaltblütigkeit, die Hardberger benötigt. Und natürlich sein Wissen als Kapitän, um selbst auch mal das Steuer zu übernehmen, wie geschehen, oder der richtige Wind, um heimlich die Taue zu kappen und ein Schiff einfach in internationale Gewässer treiben zu lassen.

Max Hardberger
An Hardbergers Biografie kann man ablesen, dass er einer von denen ist, die immer neue Herausforderungen suchen und die es nicht lange am selben Ort hält. Nach dem Collegeabschluss 1969 arbeitet Hardberger eine Zeitlang als Lehrer und Reporter. Von 1977 bis 1985 war er auf einer Ölplattform tätig, machte eine Ausbildung zum Schlammingenieur und erwarb nebenbei seine Fluglizenz und das Kapitänspatent. Danach war er sowohl als Pilot wie auch als Kapitän tätig und wurde eher zufällig im Jahr1987 mit der Rettung eines Schiffes aus den korrupten Fängen haitianischer Militärangehöriger beauftragt. Die Aktion war erfolgreich, was sich herumsprach, und so nahmen die Anfragen für heikle Missionen zu.
1998 machte er dann im Alter von fünfzig Jahren noch sein Juraexamen und bietet seither offiziell seine Dienste als Experte für Schiffsfrachten und beschlagnahmte Schiffe an. An Klienten scheint es ihm nicht zu mangeln, was kaum verwundert, ist doch ein Schiffstransport durch die zahlreichen beteiligten Geschäftspartner eine undurchsichtige Angelegenheit (normalerweise sind vier Parteien beteiligt: der Schiffseigner, der Charterer des Schiffes, der Verschiffer und der Empfänger) und die Möglichkeit sich hinter Scheinfirmen zu verbergen und die Chance, mit einem krummen Ding auf einen Schlag eine Menge Geld zu machen, die perfekte Mischung für alle möglichen Elemente mit kriminellen Energien.
Hardberger ist ein erstaunlich guter Erzähler, der die notwendigen Fakten klar und verständlich zusammenfasst und durchaus einen Sinn für suspense besitzt, wenn es um die heiklen und gefährlichen Momente während seiner Einsätze geht – ein anscheinend vielseitig talentierter Mann, der in der Zwischenzeit auch Hollywoods Aufmerksamkeit erregt hat.
Jedenfalls sei jedem dieses Buch empfohlen, der sich für die realen „crime scenes“ in der globalen Schifffahrt plus den Einfluss, den die politische Gemengelage in vielen korrupten Staaten darauf hat, interessiert.
Susanna Mende
Max Hardberger: Geentert, gekapert, gerettet – Der abenteuerliche Kampf eines Kapitäns, der gestohlene Schiffe zurückerobert (Seized: A Sea Captain’s Adventures Battling Scoundrels and Pirates While Recovering Stolen Ships in the World’s Most Troubled Waters, 2010). Aus dem Englischen von Martin Rometsch. München: riva Verlag 2010. 335 Seiten. 19,95 Euro.
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