Geschrieben am 13. März 2010 von für Bücher, Crimemag

Moritz Wulf Lange: Kalter Abgrund

Reizlos

Große Namen, spektakuläre Themen, fette Medienhypes werden gerne besprochen. Aber es gibt auch das Mittelfeld, den normalen Feld-, Wald- und Wiesenkrimi. Joachim Feldmann hat unerschrocken zum wiederholten Mal eine Stichprobe gemacht.

Was in Kalter Abgrund, dem zweiten Kriminalroman des Berliner Autors Moritz Wulf Lange, geschieht, ist rasch zusammengefasst. Michael Dallinger, ehemals Musiker und jetzt Privatdetektiv, kommt es merkwürdig vor, dass seine Ex-Freundin Ina Selbstmord begangen haben soll. Zudem quält ihn ein schlechtes Gewissen, hat er doch zu spät reagiert, als sie offensichtlich in Schwierigkeiten steckte und ihn um Hilfe bat. Also beginnt Dallinger, unterstützt von einem pensionierten Kriminalbeamten, zu ermitteln, stößt bald auf Ungereimtheiten und kann schließlich mit Täter und Motiv aufwarten.

Kein Charisma

Lange erzählt diese Geschichte, unterbrochen von einigen Rückblenden, chronologisch. Zu Beginn des Romans wählt er für einige Kapitel die Perspektive des späteren Opfers, später übernimmt er durchgehend die Sichtweise seines Protagonisten. Dabei bevorzugt er einen parataktischen Stil, der auf die Dauer ziemlich ermüdend wirkt. Manchmal bemüht sich Lange, so etwas wie Atmosphäre zu schaffen. Dann lässt er Dallinger zu Beuteltee greifen, dessen Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist. Oder er schickt ihn von heftigem Harndrang getrieben in den Innenhof eines offenbar luxusrenovierten Häuserkomplexes, wo er sich im „Schatten der Mülltonnen“ erleichtern darf.

Doch leider gelingt es dem Autor nicht, dauerhaftes Interesse an seinem Ermittler zu wecken. Auch die Nebenhandlung um Dallingers aktuelle Freundin Anke, die er, von seinen Nachforschungen übermäßig in Anspruch genommen, immer wieder versetzt, verleiht dem Roman keinen zusätzlichen Reiz. Eher fragt sich der Leser, was der Detektiv eigentlich an der Dame findet. Und sie an ihm. Ein sonderlich charismatischer Typ ist er nämlich nicht. Das könnte man, angesichts der vielen enervierend skurrilen Figuren, die momentan unsere Kriminalliteratur bevölkern, als gutes Zeichen deuten, würde es dem Autor gelingen, diesem Mann ohne besondere Eigenschaften sprachlich gerecht zu werden. Doch das hätte dessen konsequente Demontage bedeutet.

Aber vielleicht ist diese Perspektive bereits angedeutet, wenn es am Ende des Romans, der als zweiter Band einer Reihe eine Fortsetzung erwarten lässt, in grandioser Selbstverkennung heißt: „Aber vielleicht war von seinem Leben noch etwas zu retten. Jetzt würde er sich um Anke kümmern. Es war ein gutes Gefühl.“

Joachim Feldmann

Moritz Wulf Lange: Kalter Abgrund. Dallingers zweiter Fall. Roman.
Berlin: Bloomsbury 2010. 286 Seiten. 14,90 Euro.

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