Geschrieben am 28. April 2012 von für Bücher, Crimemag

Patrick Fogli & Ferruccio Pinotti: Bleiernes Schweigen

La Cosa Nostra

– Ein Zitat vom Buchrücken fasst alle 616 Seiten des Romans zusammen: „Die, die mich töten, werden wahrscheinlich Mafiosi sein, aber die, die meinen Tod gewollt haben, werden andere sein.“ Paolo Borsellino. Christian Koch über einen Roman mit niedrigem Fiktions-Quotient.

„Bleiernes Schweigen“ erzählt die Geschichte der Cosa Nostra in Romanform im Zeitraum der achtziger Jahre bis heute. Der rote Faden des Buches ist ein Schriftsteller, der 2003 von einer Anwältin zu einem Treffen gebeten wird. Kurz vor dem Meeting werden die Anwältin, ihr Mandant und zwei Polizisten in einem Gerichtsgebäude erschossen. Anschließend tötet der Schütze sich selbst. Das letzte Wort der Anwältin lautete „Solara“. Genau dieser Name war als letzte Notiz in den Aufzeichnungen von Elena, der Ehefrau des Schriftstellers, zu finden, die vor mehr als zehn Jahren bei einem ominösen Autounfall  gestorben war. Kurz zuvor war sie Zeugin des Attentates auf den Richter Paolo Borsellino geworden.

Der „Gegenstaat“

Beeindruckend ist der Roman vor allem wegen drei Punkten. Da ist zum einen die Informationsfülle um die Verbindungen der Cosa Nostra zu den italienischen Geheimdiensten, den politischen Parteien und einigen Logen Italiens. Die „Propaganda Due (P2)“ war sicherlich nur die bekannteste davon.

Detailliert wird die Historie dieser Verflechtungen dargestellt. Die Cosa Nostra hatte schon immer einen eigenen, durchstrukturierten Raum, den „Gegenstaat“.  Den hat sie trotz vermeintlicher Einzelerfolge der Justiz bis heute. Auch die direkte Einflussnahme auf die Politik und Justiz im Kleinen wie im Großen hat eher zugenommen. „Heute reicht es aus, den wenigen couragierten Richtern und Staatsanwälten die Ermittlungen wegzunehmen, wenn sie die Ebene der Unberührbaren erreichen.“ Dieses Zitat des Bruders des ermordeten Richters Paolo Borsellino stammt aus dem Nachwort von Jürgen Roth.

Zum anderen gehen die Autoren detailliert auf den Wandel der Geldbeschaffung und deren Folgen ein. Mögen Drogenhandel, Waffenhandel und Schutzgelderpressung immer noch Säulen der Cosa Nostra sein, so sind es aber eben nur Säulen als Teil eines ganzen Hauses. Heute wird ein großer Teil des Geldes mit ganz legalen Geschäften verdient. Diese Einnahmen sind natürlich kaum mehr der Cosa Nostra zuzuordnen.

Patrick Fogli (© Giliola Chistè, Quelle: aufbau-verlag.de)

Der dritte Punkt ist die akribische Auflistung aller die Cosa Nostra betreffenden Ereignisse aus den  letzten Jahrzehnten unter Heranziehung der politischen Ereignisse Italiens. Sei es Entstehung, die beiden großen internen Mafiakriege (in den achtziger Jahren und in den neunziger Jahren), oder das Nachlassen der Anschläge 1993 (Eintritt von Silvio Berlusconi in die Politik). Durch die Veranschaulichung der Strategiewechsel bekommt man einen bitteren Geschmack von der Anpassungsfähigkeit der Cosa Nostra.

Der Spagat, mit einem Roman so viele Information und zeitliche Abläufe darzustellen, gelingt den beiden Autoren hervorragend. Ein außergewöhnliches Buch! Das Nachwort von Jürgen Roth ist informativ und auch von der Länge her (12 Seiten) angemessen.

Das hätte ich mir auch vom Glossar gewünscht, das beträgt nämlich nur acht Seiten. In Italien sicherlich populäre Abkürzungen und Bezeichnungen sind für die deutschen Leser ja nicht ganz so alltäglich. Da wäre mehr tatsächlich mehr gewesen.

Eine angenehm unauffällige Übersetzung von Verena von Koskull tut ihr übriges für diesen Lesegenuss.

Christian Koch

Patrick Fogli & Ferruccio Pinotti: Bleiernes Schweigen (Non voglio il silenzio, 2011) Roman. Deutsch von Verena von Koskull. Berlin: Aufbau Verlag, 2012. 616 Seiten. 22,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Krimibuchhandlung Hammett. Website von Patrick Fogli.

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