Geschrieben am 13. September 2008 von für Bücher, Litmag

Pete Dexter: Paris Trout

Der amerikanische Albtraum

Mit seinem Roman Paris Trout ist Pete Dexter (nach der sehr freundlichen Aufnahme von Train) nun auch hierzulande als einer der wichtigsten amerikanischen Gesellschaftschronisten zu entdecken – obwohl er schon lange auf dem deutschen Buchmarkt präsent ist. Im Original erschien das packende Südstaatendrama bereits 1988 und wurde mit dem National Book Award ausgezeichnet. Gelesen hat ihn für uns Karsten Herrmann.

Im dunklen Zentrum des in den 1950er Jahren angesiedelten Romans lauert wie eine bedrohliche Spinne der titelgebende Protagonist Paris Trout. Als angesehener Bürger betreibt er in dem kleinen Südstaatennest Cotton Point, Georgia, einen Gemischtwarenladen sowie ein florierendes Geschäft mit Krediten. Als der junge Schwarze Henry Ray Boxer ihm eine Rate schuldig bleibt, stattet er ihm mit einem brutalen Ex-Polizisten einen Besuch zu Hause ab. Zurück bleiben ein totes 14-jähriges Mädchen und die schwer verletzte Mutter von Henry Ray.

Doch Paris Trout lässt jegliches Schuldbewusstseins vermissen und glaubt sich im Recht. Er ist ein Mensch jenseits von Gut und Böse, der abgrundtief gefühllos nur nach seinen eigenen eisernen Prinzipien handelt: „Es gab da einen Vertrag, den er vor langer Zeit mit sich selbst abgeschlossen hatte, der über jedem Gesetz stand, und an den hielt er sich – als einziger Vertragspartner.“ Als zur Überraschung der meisten „ehrenwerten“ Bürger von Cotton Point tatsächlich Anklage gegen Paris Trout erhoben und er wegen Totschlag zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, kommt eine gefährliche Lawine in Gang: „Trout hatte etwas an sich, das die Dinge weiter trieb, als sie eigentlich gehen sollten.“
Pete Dexter erzählt seinen Roman lakonisch aus verschiedenen Perspektiven und ist dadurch immer ganz nah dran an den Beteiligten – am Opfer Rosie Sayers, das ungläubig die Einschläge der Kugeln spürt, an Trouts Ehefrau Hanna, die sich mutig gegen ihren Mann und seine unfassbare Gewalt stellt, am Rechtsanwalt Harry Seagraves, der Trout verteidigt und den der Fall keine Ruhe mehr finden lässt.

Auf meisterhafte Weise und mit einer präzisen Prosa von intensiver Wucht schafft Pete Dexter eine bedrückend-bedrohliche Atmosphäre und eine sich stetig steigernde psychologische Hochspannung. Fassungslos spürt und erleidet der Leser den tief eingefleischten Rassismus und die brodelnde Gewaltbereitschaft der amerikanischen Gesellschaft, die sich hinter dem schönen Schein einer geordneten Welt versteckt: „der äußere Anschein ist genau da, was zugelassen hat, das dies alles passiert.“ Bis zur letzten Seite schlägt dieser Ausnahme-Roman den Leser in den Bann und bietet ihm ebenso wenig Hoffnung wie Entrinnen.

Karsten Herrmann

Pete Dexter: Paris Trout (Paris Trout, 1988) Roman. Deutsch von Jürgen Bürger. Liebeskind 2008. 415 Seiten. 22,00 Euro.