Geschrieben am 24. Januar 2015 von für Bücher, Crimemag

Ray Banks: Dead Money

Dead-Money-CoverNichts geht mehr

– Immer alles auf Zero gesetzt und total untergegangen: „Dead Money“ beschreibt in finsterer, bester Noir-Tradition, wie es einem ergeht, bei dem das routinierte Verdrängen besser funktioniert als der Realitätssinn. Den Roman von Ray Banks bespricht Peter Münder.

Alan Slater ist eigentlich Vertreter und Berater eines Fensterbauers in Manchester, doch den nervtötenden Frust mit Hausbesuchen bei Kunden, die sich als Dumpfbackenwichtigtuer profilieren wollen und ihm nur auf den Geist gehen, hat Alan inzwischen so kommod reduziert, dass er sich als Casino-Croupier verwirklichen und echt wohlfühlen kann. Da bleibt dann immer noch reichlich Zeit für ein Treffen mit seinem besten Kumpel, dem im Permafrust steckenden Hobbyschläger und überzeugten Alki Les Beale, um sich drei oder sechs Bierchen und einen ordentlichen Whisky nebst einem Magenschonerwodka zum Runterspülen des ganzen Alltagsdrecks zu genehmigen.

Bei diesen beiden Losern rotiert die Untergangsspirale so rasant, dass man all die Pleiten und Pannen des ganz auf Murks und Pechsträhnen eingestellten Duos kaum so schnell verstehen und verarbeiten kann, wie sie auf diese Anti-Helden einprasseln. Mit Samuel Beckett und seinem Verdikt „Fail, fail again, fail better“ kommt man in diesem tristen, aber spannenden und lässig erzählten Noir-Drama auch nicht viel weiter. Eher schon mit dem ersten Satz, den Banks eher unauffällig als durchgehendes Leitmotiv eingestreut hat: „Das Palace war ein Paradies für kleine Zocker, die sich groß was vormachten.“

Kleine Zocker mit Riesenambitionen, das sind die beiden – schade nur, dass immer irgendwas dazwischenkommt, wenn der große Glücksturbo angeworfen wird und dann schnell ins Stottern kommt.

Depressionstherapie

Den Dummschwätzer Beale hält Slater für einen fabelhaften Kumpel, auch dessen aberwitzigen Plan für ein Pokerduell mit Tricksereien, bei dem abgebrühte Typen hereingelegt werden sollen, findet Slater okay und lässt sich darauf ein. Da steckt er schon so tief im Dreck, dass er gar nicht mehr weiß, wie es für ihn weitergehen soll. Seine Frau hat er mit einer lasziven Studentin betrogen und nun kriegt Slater ordentlich Zunder. Das Saufen kann er nicht lassen, sein Magen brennt wie die Hölle, er überfährt noch im Suff einen Köter und katapultiert ihn ins Jenseits, ohne ein ruhiges Plätzchen zum Entsorgen des Viehs zu finden. Dann soll er noch die Spielschulden vom zusammengeschlagenen Zockerkumpel übernehmen und wird selbst übel zugerichtet, als er sich weigert … Ist das eigentlich noch alles Noir, was Ray Banks da beschreibt, oder schon Teil einer Depressionstherapie? Ernüchternder kann dieses Eintauchen in hammerharte Enttäuschungen mit rosaroten Drapierungen bitterer Lebenslügen ja nicht mehr werden – oder ?

Empathie

Für den Leser, der voller Empathie für diesen angeknockten Underdog den Plot mit geballter Faust und angestautem Frust verfolgt, ist es eine ziemliche Höllenqual, statt eines kathartischen Knalls aus einer 37er Magnum von Alan Slater immer neue Demütigungen und Beleidigungen inhalieren zu müssen, die der Möchtegernzocker über sich ergehen lässt. Und dann, wenn der Druck im emotionalen Dampfkessel fast unerträglich wird und man erwartet, dass dieser Mühselige und ewig Verladene nun endlich die Kalaschnikow für das Happy End rausholt, fällt schon der Vorhang. Ein mörderischer Anti-Klimax, den ich wahrlich als ganz miesen Tiefschlag empfinde. Auch als Leser/Kritiker hat man doch noch Illusionen und hofft auf die finale Pulverisierung perverser Bösewichter!!!

Trotzdem: Dieses gelungene Debüt von 2004 in der rasanten Übersetzung von Antje Maria Greisinger ist eine fabelhafte bitterschwarze Milieustudie aus einem Manchester mit dumpfen Kneipen und tristen Casinos, das man so noch nicht kannte.

Zur Einstimmung auf diesen faszinierenden, jetzt in Edinburgh lebenden 37-jährigen Autor mit eigener Casino-Erfahrung sollte man auf jeden Fall Frank Göhres dichtes, einfühlsames Vorwort lesen. Dann wird einem der „Dead Money“-Autor aus dem schottischen Nest Kirkcaldy, der sein Erweckungserlebnis bei der Jim-Thompson-Lektüre hatte, noch sympathischer als ohnehin schon.

Peter Münder

Ray Banks: Dead Money (Dead Money, 2004). Roman. Deutsch von Antje Maria Greisinger. Hamburg: Polar Verlag 2015. 201 Seiten. 12,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zum Autor.

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