Geschrieben am 24. März 2012 von für Bücher, Crimemag

Roberto Ampuero: Tod in der Atacama

Realistischer Sumpf

– Nach dem großen Erfolg von „Der Fall Neruda“ liegt die Messlatte für den neuen Roman des Chilenen Roberto Ampuero hoch. Da ist es nicht ohne Risiko, in der Folge einen im Original bereits 1996 erschienen Titel auf den Markt zu bringen – schließlich entwickeln sich Autoren weiter. Ampueros jetzt ins Deutsche übersetzter Krimi „Tod in der Atacama“ ist denn auch nicht so kunstvoll konstruiert wie „Der Fall Neruda“, sondern gradlinig und chronologisch erzählt, und er ist auch nicht ganz so originell – dennoch lohnt sich das Lesen, weil Ampuero schreiben kann und weiß, wie man Spannung aufbaut. Eine Rezension von Eva Karnofsky

Entwicklungspolitisch Interessierte werden ihre besondere Freude an „Tod in der Atacama“ haben. Protagonist ist wieder Cayetano Brulé, der kubanische Detektiv, den das Leben von Havanna über Miami ins chilenische Valparaiso gespült hat. Diesmal heuert ihn die Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen an, Brulé soll herausfinden, warum der deutsche Entwicklungshelfer Willi Balsen erschossen wurde. Zwar ist es unwahrscheinlich bis unmöglich, dass eine deutsche Tageszeitung für viel Geld einen Detektiv engagiert, um eine Geschichte am Ende der Welt zu recherchieren, doch es ist nett erfunden.

Wasser

Um vieles realistischer ist dann aber der Sumpf, in den Cayetano bei seinen Nachforschungen gerät. Es sieht so aus, als sei der ermordete Willi Balsen keineswegs ein Unschuldslamm gewesen. War er in Drogengeschäfte verwickelt? Dann wieder scheint es eher so, als habe er antike Keramiken geklaut und verhökert, um die Dinge, die schiefgelaufen sind in seinem Entwicklungsprojekt, mit Geld wieder geradezubiegen. Er hatte den Bauern der Atacama-Wüste versprochen, sein Bewässerungsvorhaben würde ihnen bessere Einkünfte sichern, doch er hatte die Rechnung ohne die Natur gemacht. Längst ist Chile selbst Geberland von Entwicklungshilfe und Balsens Brunnenprojekt wäre dort heute kaum noch denkbar. Doch dass Entwicklungshilfe eher schadet als nützt, das kommt immer noch vor.

Je tiefer Brulé bohrt, desto mehr Fragen stellen sich ihm. Wollte sich einer der enttäuschten Bauern an Balsen rächen? Oder hat Isabel, die hübsche junge Wirtin aus San Pedro de Atacama aus Eifersucht zur Waffe gegriffen, weil sich Balsen auch mit Barbara Schuster eingelassen hatte, der Mitarbeiterin des deutschen Minenkonzerns, der so verdächtig vorschriftsmäßig aufforstet? Rätsel gibt Brulé auch Balsens Terminkalender auf. Was wollte er in Sierra Leone?

Roberto Ampuero

Wüste

Roberto Ampuero versteht es auch in diesem Roman, ein Dickicht von Fährten zu legen, und damit den Leser bis zuletzt in Atem zu halten.

Besonders reizvoll an dem Roman sind die Schilderungen der Atacama-Wüste, an der schon Chiles Eroberer Pedro de Valdivia gescheitert wäre, wenn nicht seine Lebensgefährtin Inés Suárez als Wünschelrutengängerin mehr Glück gehabt hätte als Willi Balsen mit seinen Brunnen. Die härteste Wüste der Welt hat zudem einen besonderen Menschenschlag hervorgebracht, der im übrigen Chile diskriminiert wird und folglich seinerseits die Chilenen nicht sonderlich mag. Die Atacameños zeichnet besondere Verschlossenheit aus, was dem Detektiv die Arbeit erschwert. Doch dem Leser kommt es sehr entgegen, denn er hat seine Freude daran, wie sich Cayetano Brulé fast an ihnen die Zähne ausbeißt. Die Lösung des Falls schließlich ist schlüssig und realitätsnah. Und so viel sei verraten: Sie wirft kein gutes Licht auf die Nord-Süd-Beziehungen.

Eva Karnofsky

Roberto Ampuero: Tod in der Atacama. Cayetano Brulé ermittelt. (El Alemán de Atacama, 1996). Deutsch von Carsten Regling. Berlin: Bloomsbury 2012. 247 Seiten. 19,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Roberto Ampuero bei CULTurMAG. Homepage von Eva Karnofsky.