… dann holt Dich der Schwarze Mann!
– Der neue Roman von Roger Smith macht kräftig buuuuu! Das macht nix, er will ja nur spielen. Wenn auch auf ziemlich uncoole Art, findet Thomas Wörtche …
Roger Smith hat das erstaunliche Talent, alles kunstvoll ins Widerwärtige zu drehen: Die Sterne sehen bei ihm aus „wie ein weißglühender Ausschlag“, Süßigkeiten „verfärben den Urin“ und alte Frauen keuchen „wie eine Hyäne“. Mit diesen Metaphern etabliert Smith die Grundstimmung seines neuen Romans „Staubige Hölle“, der sich von seinem Vorgänger „Blutiges Erwachen“ nur durch noch mehr Widerwärtigkeit, Bosheit, Brutalität und Gewalt unterscheidet. Alles stinkt, kotzt, eitert, scheißt und blutet bis zum Abwinken und bis es niemanden mehr interessiert. Ekelkram as usual. Nach einem eher gelungenen und noch irgendwie originellen Erstling („Kap der Finsternis“), bewegt sich Smith weiter auf der handwerklich zwar cleveren, letztendlich aber inhaltsleeren Action-Strecke für den juvenilen Geschmack, der Gewaltorgien und Modderzeug für „realistisch“ halten möchte.
Radikale Spannungslosigkeit
Denn radikal ist dieser Roman höchstens wegen seiner radikalen Spannungslosigkeit. Wenn der Schurke einem Baby die Pistole an den Kopf hält, ist es nicht mehr spannend, ob er das Kind erschießt oder nicht. Denn der Böse ist so bös, dass er das natürlich tut. Da gibt es keinen Zweifel. So wie es keinen Zweifel gibt, dass fast alle Hauptpersonen des Buches ein böses Ende nehmen, denn Smith‘ Geschäft sind nun mal böse Enden. Seine Welt ist monolithisch böse, darüber verhandelt das Buch nicht.
Über die politischen Implikationen muss man auch gar nicht groß diskutieren: Der Schurke ist ein Zulu-Killer im Dienste eines Zulu-Ministers, der an die Macht will. Killer Inju hat AIDS, das er, abergläubischer Brutalo, der er ist, mit der Vereinigung mit einer Jungfrau heilen möchte. Außerdem frisst er Schafskopf, findet Frauen zu schlagen und zu vergewaltigen völlig okay, hasst Weiße und „Farbige“, hat keinerlei Tötungshemmung, führt sich in seinem von jeder staatlichen Autorität freien Territorium auf wie ein Warlord und ist, all at all, all das, vor dem sich die weißen Südafrikaner und ein internationales Publikum fürchten soll: Er ist der Schwarze Mann, der die Kinder holt.
Natürlich gibt es auch nicht so böse schwarze Menschen in dem Roman. Disaster Zondi, zum Beispiel, der Anti-Korruptionsspezialist, den Smith-Leser schon kennen, ist auch wieder da, sieht aber ziemlich abgehalftert und blass aus. Die beiden weißen Hauptfiguren, ein Ex-Bürgerrechtler und Anti-Apartheidskämpfer, und sein alter, lungenkrebsiger Rassisten-Vater (viel blutiger Auswurf!) sind eher gesprenkelte Charaktere. Sexuell autonome Frauen oder welche, die ihrem „Schicksal“ (sprich: ihrer Rolle) entfliehen möchten, werden von Smith so gradlinig umgebracht, wie’s den Schlampen dafür nun mal gebührt. Bleibt, wie man’s dreht und wendet: das babyerschießende, mordende, sengende, brennende und deviante Böse ist der Schwarze Mann.
Realitäten? Ach wo …
Alles südafrikanische Realität? Jaja, gewiss. Dass offizielle Kräfte sich inoffizieller Handlanger fürs Grobe bedienen, dass Politik und Polizei und Verbrechen ein fatales Dreieck bilden, dass es Gerechtigkeit nicht gibt, all das ist ja in der Tat typisch: nicht unbedingt für Südafrika, sondern für auf Action getrimmte und ansonsten digital sortierte Thriller für die schlichten Gemüter. So etwas rutscht bei der Lektüre leicht runter, Überraschungen gibt es keine, die Story und die Plotlines tackern und klackern vor sich hin, wie die Wurstmaschinchen für dergleichen Romänchen eben klackern und tackern.
Substanzarm …
Routiniert, wenn auch zutiefst uninspiriert gebaut, ist das ohne Zweifel. Eine Filmvorlage, aus der ein guter Regisseur mit guten Schauspielern etwas Substanzielles machen könnte. Gute Filmvorlagen zeichnen sich ja sowieso oft durch ihre eigene Substanzlosigkeit aus, die lediglich eine Hohlform für einzufüllende Inhalte lässt. Sagen wir’s so: Roger Smith schreibt literarische Kartoffelchips zum Wegknabbern, Industrienormprodukte.
Interessante und spannende Kriminal-Literatur aus Südafrika sieht anders aus.
Thomas Wörtche
Roger Smith: Staubige Hölle (Dust Devils, 2010) Roman. Deutsch von Jürgen Bürger und Peter Torberg. Stuttgart: Klett-Cotta/Tropen.331 Seiten. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Roger Smith.
CULTurMAG Rezensionen: Max Annas über „Kap der Finsternis“, Christian Koch über „Kap der Finsternis“, Thomas Wörtche über „Blutiges Erwachen“.