Geschrieben am 5. Dezember 2015 von für Bücher, Litmag

Roman: Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen

Schulz_Dummy.inddWenn die Komik Tränen trägt

Bereits im Februar ist der zweite von Frank Schulz‘ Onno-Viets-Romanen erschienen, die Fortsetzung der Geschichte über den hinreißend gutmütigen, willigen, aber für das Arbeitsleben völlig untalentierten Tollpatsch Onno, der nun auf die Sechzig zugeht. In „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ hatten ihn die Umstände zum Privatdetektiv und Spielball einer komplett übergeschnappten Gesellschaft mit finalem Geiseldrama gemacht. Die onnoseits davongetragene posttraumatische Belastungsstörung ist die Brücke zum zweiten Teil, „das Schiff der baumelnden Seelen“. Von Michael Höfler

Auf dem titelgebenden Kreuzfahrtschiff („elf Stockwerke hoch aufragend –: das Wasserschlösschen der Monarchin“) darf sich Onno als Leibwächter seines besten Freundes Cousin fühlen, des wiederum übergeschnappten Künstlers Donald Jochemsen: „Von der Brust seines schwarzen Al-Capone-Hemdes leuchtet eine Milchstraße aus Hefepilz, und an dem Haarbüschel seines rechten Nasenlochs hängt eine Art Kaulquappe.“ Die Zeit auf der Kreuzfahrt vergeht erwartungsgemäß mit Völlerei, Gebechere, Gaga-Unterhaltung und schlechtem Geschmack: „Matronenwülste in Radlerhose, deren Trägerin mit gelochten Gummibooten in Pink über die Dielen auf dem Pooldeck watschelte“. Doch die Komödie, die Onno lange bestens taugt, weil sie für ihn keine ist („Kraft seiner genetisch verwurzelten Güte führt peinliches Verhalten anderer Leute umgehend zu Rührung, Mitleid und Demut.“) mündet in eine persönliche Tragödie („Kurz darauf begannen ihn Seelenkoliken zu beuteln“).

Frank Schulz führt die Figuren in Onno II so unterhaltsam ein, dass die Abgehalftertheit der Figuren den Erst- wie Zweitlesern ganz frisch erscheinen. Schulz‘ Sprachkunst und seine Fähigkeit, Bilder der beschriebenen Milieus vor dem Leserauge entstehen zu lassen, sind hinlänglich gewürdigt worden. Nicht so sehr jedoch die Volkstümlichkeit seiner Bonmots, sein traumhaft souveräner Umgang mit Lautmalerischem, Größenwahn und Gegenwärtigem, was eigentlich längst nicht mehr zu ertragen ist. Obendrein gibt es vielleicht eine der eindrücklichsten Sportszenen der Literatur (ein Tischtennis-Spiel) und das dem Roman einrahmende, hochkomische und -kluge Theaterstück, in dem Kasper, Krokodil und Co. die Entertainmentgesellschaft dadaistisch verarbeiten.

Der Platz hier ist zu knapp, um Schulz angemessen zu loben. Aber soviel noch: Die tragische Pointe am Ende hätte längst nicht die Wucht, würde sie nicht auf so viel Komik fußen. Sie spült den Leser förmlich von Deck. Die Traurigkeit, die die Lektüre zurücklässt, ist eine tiefster Humanität.

Michael Höfler

Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen. Roman. Gebunden. Galiani 2015. 336 Seiten. 19,99 Euro.

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